„Am Anfang ein Traum“: Bilder mit Fingern sehen

07.09.2022 12:12
Während die meisten Menschen durch die Unterstützung visueller Darstellungen komplexe Inhalte besser erfassen können, bleibt dies 285 Millionen blinden und sehbehinderten Menschen weltweit verwehrt. Taktile Bücher sind selten, teuer und unpraktisch. Audiodeskriptionen scheitern, wenn Worte nicht ausreichen, um komplexe Informationen zu erklären. Dot Inc. hat unter der kreativen Leitung von Serviceplan Innovation das Dot Pad auf den Markt gebracht, eine Revolution für barrierefreie Technologie. Bemerkenswert: Die Dot-Pad-Technologie wird auch mit Wettbewerbern geteilt, um sehbehinderten Menschen auf der ganzen Welt den Zugang zu taktilen Grafiken zu ermöglichen.

>> Das Dot Pad kann jeden visuellen Inhalt aus jeder Quelle anzeigen, da die innovative Bilddatenverarbeitungstechnologie der südkoreanischen Unternehmens Dot Inc. künstliche Intelligenz verwendet, um visuelle Eingaben zu analysieren und zu verstehen und sie auf dem taktilen Display des Dot Pads mit 2.400 Punkten möglichst genau darzustellen. Zum ersten Mal könnten sehbehinderte Menschen somit auf die visuellen Inhalte im Internet zugreifen.

Herzstück

Das Herzstück des Dot Pad, so erklärt die Agentur Serviceplan, die den siebenjährigen Entwicklungsprozess begleitet haben, ist die dritte Generation der innovativen Aktuatortechnologie von Dot. Während herkömmliche taktile Geräte Piezoelektrizität zum Antrieb ihrer Aktuatoren verwendeten, setze das Dot Pad auf Elektromagnetismus, wodurch Größe, Gewicht, Stromverbrauch und Preis reduziert werden könnten – um mehr als das Zehnfache. Dies erhöhe die Benutzer:innen-Freundlichkeit enorm und mache das Dot Pad für die Mehrheit der blinden und sehbehinderten Nutzer:innen erschwinglich.

Shruthi Subramanian von Serviceplan Innovation erinnert sich an den Projektstart: „Zu Beginn unserer Partnerschaft im Jahr 2015 war die Idee vom Dot Pad ein Traum, aber auch ein Ziel, das wir mit jedem neuen Gerät und jeder neuen Software, die wir gemeinsam entwickelt haben, versuchten zu erreichen. Es fühlt sich sehr erfüllend an, dass jedes Projekt, an dem wir in den letzten sieben Jahren gearbeitet haben, ein Schritt in Richtung Dot Pad war. Mit der Dot Watch, einer Smartwatch mit Blindenschrift, haben wir die erste leichtgewichtige Anwendung der revolutionären Aktuatortechnologie von Dot vorgestellt.“ Das mechanische Display der Dot Watch stellt durch ausfahrbare Stifte auf dem Display Informationen in Brailleschrift dar. Via Bluetooth werden wie bei einem herkömmlichen Smartphone Daten auf die Dot Watch übertragen.

Übersetzungsmaschine „Dot Mini“ als Vorläufer

Dann folgte Step two: „Der Dot Mini“, führt Subramanian weiter aus, „der die Aktuatoren für die Übersetzung von Text in Brailleschrift nutzt, inspirierte das Textfeld des Dot Pad. Dies war ebenfalls eine neue Formfaktor-Anwendung für den Aktuator. Mit Dot Translate und Dot Go haben wir KI und das Internet der Dinge erforscht, was wiederum mit der KI-basierten Bildverarbeitung des Dot Pads und der Integration des Dot Pads in Smart-City-Lösungen wie im öffentlichen Nahverkehrssystem von Busan zusammenhängt.“ Busan ist übrigens eine Hafenstadt in Südkorea.

Die größte Herausforderung, verrät Shruthi Subramanian, habe immer darin bestanden Standard-Denkweisen zu vermeiden, wenn es um Lösungen für Barrierefreiheit gehe. „Das ist eine Falle, in die man leicht tappen kann, und genau das hat die Innovation im Bereich der digitalen Barrierefreiheit gebremst. Wir konnten dies überwinden, indem wir Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, was die Zugänglichkeit angeht, in den Prozess einbezogen und uns eingehend mit der ,User Journey‘ befasst haben.“

Und wie bringt man das Gadget jetzt „an den Mann“? Die Vertriebsstrategie von Dot Pad sei in erster Linie B2B, d.h. sie richtet sich an öffentliche und private Einrichtungen, damit diese das Dot Pad überall an Menschen mit Beeinträchtigungen weitergeben können. Subramanian: „Indem wir uns an Fonds für Barrierefreiheit und Organisationen wenden, die Menschen mit Sehbehinderungen unterstützen, können wir unsere Reichweite vergrößern und bedürftige Menschen finden, während wir gleichzeitig sicherstellen, dass die Nutzer des Dot Pad nicht die vollen Kosten tragen müssen. Derzeit können sich Verbraucher an uns wenden, um in die Prioritätenliste aufgenommen zu werden.“

Die Dot-Pad-Technologie soll auch mit Wettbewerbern geteilt werden, um sehbehinderten Menschen auf der ganzen Welt den Zugang zu taktilen Grafiken zu ermöglichen. Für weitere Software- und Hardwareunterstützung taktiler Grafiken stehe Dot Inc. in Kontakt mit großen Technologieunternehmen, um ein einheitliches Dateiformat und eine offene Datenbank für taktile Grafiken zu erstellen. <<

Ausgabe 09 / 2022

Digital Health