Am Puls der Zeit
>> Herr Olmos, Sie haben sich mit Anima Res auf Augmented-, Mixed- sowie Virtual-Reality-Anwendungen in Pharma, Medizin und Biotechnologie spezialisiert. Lassen Sie uns zuerst einmal die Begrifflichkeiten klären. AR und VR sind für die meisten kein Fremdwort mehr, aber was verbirgt sich hinter MR?
Die Bereiche Augmented, Mixed und Virtual Reality werden dem Überbegriff der erweiterten Realität (Extended Reality) zugerechnet. Der Begriff Extended Reality (kurz XR) beschreibt eine Umgebung, in der die Interaktion zwischen Menschen und computergenerierten Inhalten möglich ist.
Augmented Reality bedeutet, dass digitale Informationen über die physische Welt gelegt werden. Durch Geräte, die mit Kameras ausgestattet sind, wie beispielweise Smartphones und Tablets, wird es möglich, sowohl die physische Welt als auch die digitale Information darin wahrzunehmen. Die Interaktion findet hier meistens über den Touchscreen statt.
Mixed Reality ist eine Verschmelzung der physischen Welt mit digitalen Objekten: von dem Gerät erfasste Raumdaten ermöglichen eine Interaktion der digitalen Information mit unserer physischen Umgebung. Mixed-Reality-Headsets, wie beispielsweise die Microsoft HoloLens, werden über Sprachbefehle und Gestenerkennung gesteuert.
Zudem können auch mehrere Nutzer den gleichen Inhalt sehen, indem eine Verbindung zwischen mehreren Headsets hergestellt wird („Multi-User-Modus“). Dies ist besonders nützlich für Anwendungen, in denen Sachverhalte (z.B. Wirkweise eines Medikaments) erklärt werden sollen. Im Gegensatz zur virtuellen Realität, können die Mixed Reality-Applikationen benutzt werden, ohne Schwindel (sogenannte Motion-Sickness) zu verursachen und schränken die Mobilität und Orientierung in der physischen Welt nicht ein.
Fehlt noch die virtuelle Realität ...
Virtual Reality bedeutet, dass sich der Nutzer in eine vollkommen künstliche Realität begibt: Mit Hilfe eines Headsets beispielsweise, nimmt er eine von einem Computer generierte Welt wahr. Dieses Erlebnis ist sehr immersiv, da es das Hören, Sehen und den Tastsinn mit in die Erfahrung einschließt. Durch die vollkommene Immersion in die virtuelle Realität, wird das Erlebnis als besonders intensiv empfunden.
In welcher Form kommen diese Techniken in Ihren Produkten zum Einsatz?
Unsere Firma hat sich auf medizinische 3D-Animationen spezialisiert, die mit Hilfe von Augmented, Mixed und Virtual Reality interaktiv erlebbar werden. Darunter kann man sich unter anderem die Visualisierung der Wirkmechanismen medizinischer Präparate vorstellen.
Um das konkreter zu formulieren: Ein Pharmakonzern bringt ein neues Medikament auf den Markt, dessen Wirkmechanismus und Vorteile anschaulich präsentiert werden soll (z.B. auf Kongressen und im Außendienst). Dafür erstellen wir interaktiv erlebbare Visualisierungen und helfen das Medikament, seine Wirkung und generell das innovative Image unserer Kunden nach außen zu tragen.
Außerdem arbeiten wir an unserer „Insight“-Reihe, einer Reihe von interaktiven Extended Reality-Applikationen, die einzelne Organe des menschlichen Körpers auf bisher noch nicht dagewesene Weise erlebbar machen. Auch hier werden die dreidimensionalen Organe in der physischen Welt integriert und können vom Nutzer individuell erforscht werden.
Für welche Einsatzbereiche sind die virtuellen Techniken speziell in der Pharma- und Healthcarebranche interessant und welchen Mehrwert bieten sie?
Augmented-, Mixed- und Virtual-Reality-Inhalte werden bereits in vielen Bereichen der Pharma- und Medizinbranche eingesetzt. Sie kann als Marketing-Tool zur Erklärung von Wirkmechanismen einzelner Medikamente oder medizinischer Vorgänge im Allgemeinen eingesetzt werden. Die Interaktionsmöglichkeiten dieser Technologien erlauben es, Sachverhalte aktiv zu erforschen und verankern Informationen nachhaltiger als passives Konsumieren.
Sowohl in der Lehre von medizinischem Personal, als auch in der Patienten-Behandlung und Kommunikation mit Patienten, kann diese Technik ebenfalls gewinnbringend eingesetzt werden.
Können Sie uns Anwendungsbeispiele nennen?
Unter anderem werden Applikationen entwickelt, mit denen Chirurgen Eingriffe üben können, oder zum Beispiel Geburten und etwaige Komplikationen simuliert werden. Vor allem die Tatsache, dass mit den erweiterten Realitäten Ernstfälle und Stresssituationen geprobt werden können, erklärt das große Potenzial für Medizinstudenten, angehende Ärzte, Gesundheits- und KrankenpflegerInnen und generell medizinisches Personal.
Besonders bei seltenen Eingriffen oder Komplikationen, kann Personal fachlich und emotional geschult werden, bevor es in der Realität in eine Extremsituation gerät. Der Mehrwehrt der neuen Technik liegt aber auch darin, dass gerade was das Training von medizinischem Personal angeht, Ressourcen gespart werden können. Nicht jeder angehende Medizinstudent muss in einem Labor eine Leiche sezieren, durch erweiterte Realitäten können einzelne Eingriffe vorab geprobt werden.
Ist auch ein Einsatz für Patienten denkbar?
Sicher. Auch Patienten profitieren von der neuen Technik: So gibt es erste Projekte, die es Langzeitpatienten ermöglichen, virtuelle Erkundungstouren außerhalb ihres Krankenzimmers zu machen. Für Schmerzpatienten werden spezielle Erlebnisse entwickelt, die von schmerzhaften Therapien ablenken können. Hier ist besonders der immersive Aspekt der Techniken von Vorteil, der es erlaubt, in eine andere Realität einzutauchen. Oder es werden neue Therapieansätze in so relevanten Bereichen wie der Bekämpfung von Demenz getestet, in denen versucht wird das Gedächtnis oder bestimmte kognitive Abläufe mit Hilfe von AR/MR/VR zu trainieren.
Je weiter sich die Technik entwickelt, umso mehr Möglichkeiten gibt es in der Behandlung von Patienten und der Weiterbildung von medizinischem Personal.
Ein Beispiel für eine AR-Anwendung aus Ihrem Haus ist die App „Insight Heart“. Sie wurde sogar in der Apple Keynote 2017 (demo area) demonstriert. Wie funktioniert die Anwendung und welche Hilfsmittel benötigt der Nutzer für die Ausführung?
„Insight Heart“ hatte ein überwältigendes internationales Echo und hat unseren Expertenstatus im interaktiven Sektor unterstrichen. Die tonangebenden Unternehmen Apple, Google und Microsoft haben unsere App als Feature und Showcase hervorgehoben.
Wir haben „Insight Heart“ plattformübergreifend entwickelt – das heißt, sie funktioniert auf vielen iOS- sowie Android-Endgeräten und natürlich auch mit der Microsoft HoloLens und Windows Mixed-Reality-Headsets. Damit ist sie nicht ausschließlich eine AR-Anwendung, sondern kann auch als Mixed Reality- und sogar als Virtual Reality-App erlebt werden.
Und wie sieht das in der Praxis aus?
Die Anwendung ermöglicht eine Reise in das menschliche Herz. Dabei platziert man das Herz per Finger auf einer flachen Oberfläche – es erscheint dann eine dreidimensionale Animation des Herzens im Raum. Jetzt kann man es erforschen. Das heißt, man kann sich ihm im Raum annähern, den Herzschlag fühlen (durch haptisches Feedback) und hören. Mehrere Herz-Zustände wie z.B. ein Myokardinfarkt können abgerufen, gesehen und erforscht werden. Unsere virtuelle Assistentin „Ani“ gibt eine sprachliche Führung durch die App. Zusätzlich dazu öffnet sich das Herz beim Nähertreten und offenbart den Blutfluss, die Herzkammern und die detaillierte Anatomie.
Mit Sicherheit gibt es zur Orientierung auch eine Legende, oder ähnliches?
Medizinische Fachbegriffe kann man ebenfalls einblenden, sowie das Herz in dem großen Kontext des ganzen Körpers sehen. Wenn man diese Funktion anschaltet, sieht man wie das Herz in einem menschlichen Körper positioniert ist, den Blutkreislauf, sowie die einzelnen Organe. Außerdem lassen sich eigene Anmerkungen mit einer „Paint“-Funktion einfügen, was besonders beim Erklären von Vorteil ist.
Über externe Sensoren (z.B. Apple Watch) kann man seinen eigenen Herzschlag mit der App koppeln und das dreidimensionale Herz mit Live-Daten steuern! Oder man ruft sein letztes Workout auf und sieht sich an, wie der Herzschlag sich bei der Anstrengung verändert hat. Außerdem werden bald neue Features, wie die Erklärung des EKGs und interaktive MRTs des Herzens hinzukommen.
Wen adressieren Sie mit dieser App?
Die App richtet sich prinzipiell an alle, die sich für menschliche Anatomie interessieren. Speziell eignet sie sich für Medizinstudenten, die die Anatomie des Herzens verstehen wollen, für Ärzte, die ihren Patienten beispielsweise einen Myokardinfarkt erklären müssen oder für Vorträge, um die Möglichkeiten der Weiterbildung durch medizinische Applikationen zu demonstrieren.
Darüber hinaus nutzen wir die App natürlich als Showcase für unsere Pharmakunden, um die Möglichkeiten dieser Technologie für innovative Marketingaktivitäten aufzuzeigen.
Neben dem Herz möchten Sie weitere Organe begreifbar machen. Wie gehen Sie beim Kreationsprozess vor?
Bevor wir ein Projekt starten, gibt es natürlich interne Recherchen, Besprechungen und Überlegungen. Besonders mit unseren medizinischen Beratern müssen wir die Möglichkeiten und Fakten abklären.
Im Anschluss werden die ersten Entwürfe angefertigt, Funktionen definiert und vor allem technologische Herausforderungen beleuchtet. Die 3D-Inhalte werden auf der Basis von medizinischen-wissenschaftlichen Vorlagen naturgetreu modelliert, die Oberflächentexturen gemalt und die nötigen Animationsaufbauten erstellt. Danach entwickeln wir das Interaktionsdesign und beginnen mit der Programmierung des Prototypen. Als letztes erfolgt die Implementierung der 3D-Inhalte in den Prototypen.
Dann muss sich die Anwendung mit Sicherheit in der Praxis beweisen?
Nachdem wir die App fertig entwickelt haben, gibt es verschiedene Probeläufe. Erst testen wir die App intern, besprechen uns mit unseren Designern und medizinischen Beratern und korrigieren nach.
Im Anschluss laden wir Externe in die sogenannte „Test-Area“ ein und lassen zum Beispiel Beta-Tester, Journalisten, Influencer und Kontakte generell die App testen. Nachdem die App offiziell käuflich zu erwerben ist, geht der Prozess hauptsächlich intern weiter. Wir beschäftigen uns mit der Entwicklung von neuen Features und Erweiterungen. Erst wenn wir das Potenzial jeder einzelnen Applikation vollständig ausgeschöpft haben, betrachten wir das Projekt als abgeschlossen und wenden uns dem nächsten zu.
Seit letztem Jahr sind Sie Mitglied im Microsoft’s Mixed Reality Partner Program (MRPP). Was bedeutet das für „Anima Res“ und Ihre Kunden?
Als Partner des Mixed-Reality-Programms profitieren wir von dem großen Microsoft Netzwerk sowie seinen Lösungen und Diensten besonders auch auf internationaler Ebene, also dort, wo viele unserer Kunden sitzen. So werden wir in engem Dialog mit Microsoft die MR-Entwicklungen speziell im Healthcare- und Pharma-Bereich vorantreiben können.
Microsoft unterstützt uns aktiv, in der Berichterstattung über uns, aber auch in gemeinsamen Events und Projekten. Besonders wichtig für uns ist der Zugriff auf neue Technologien bevor diese auf den Markt kommen. Diesen Technologievorsprung setzen wir natürlich für unsere Kundenprojekte ein. Neben Microsoft unterhalten wir übrigens auch sehr enge Verbindungen zu Google und Apple.
Ihr Tipp für Unternehmen, die sich entschließen, Animationen oder interaktive Anwendungen im B2B- oder B2C-Bereich zur Anwendung zu bringen?
Da wir unsere Kunden häufig auf internationalen Kongressen begleiten, habe ich oft auf anderen Messeständen erlebt, dass die ausgewählte Technologie nicht zum Einsatz und zur Zielgruppe passt. Einen Arzt reiferen Semesters eine VR-Anwendung ausprobieren zu lassen, in der dieser stehend ein Kabelgebundenes Headset tragen soll, das seine Sicht komplett abkapselt und die Applikation über zwei gehaltene Controller steuern soll, erzeugt Unsicherheit und überfordert den Nutzer komplett.
Jede interaktive Anwendung sollte neben der Informationsvermittlung zum Ziel haben, ein Erfolgserlebnis für den Nutzer zu schaffen. Aus diesem Grund beraten wir unsere Kunden eingehend im Vorfeld zu den anwendungsspezifischen Vor- und Nachteilen der jeweiligen Technologie und lassen diese verschiedene Use Cases aus den Bereichen Augmented, Mixed und Virtual Reality ausprobieren. So sind beispielsweise
90 Prozent unserer Kongress-Anwendung Multi-User-Erlebnisse, in denen geschultes Personal die Zielgruppe durch die Anwendung führt und im Notfall erklärend Hilfe leisten soll.
Herr Olmos, vielen Dank für das Gespräch. <<
Das Unternehmen Anima Res ist Spezialist für medizinische 3D Animationen und interaktive Augmented-, Mixed- und Virtual Reality-Anwendungen mit besonderem Fokus auf die Bereiche Pharma, Medizin und Biotechnologie. Der Firmenname, abgeleitet von lateinisch „animare“ (Leben einhauchen) und „res“ (die Sache, der Prozess), ist Programm und beschreibt die Tätigkeit des 1997 in Bonn von Pablo und Rodrigo Olmos gegündeten Unternehmens treffend, wie die Brüder verlauten lassen:
„Wir beleben das Leblose, machen das Kleine ganz groß, das Unsichtbare sichtbar und setzen Produkte oder Vorgänge spannend und verständlich in Szene.“ Dabei liefern die beiden Geschäftsführer mit ihrem Team interaktiv (Augmented-, Mixed- und Virtual Reality-Apps), oder filmisch (stereoskopische 360 Grad Videos) – Was der Kunde eben braucht.
Über 300 medizinische Projekte konnte Anima Res bisher erfolgreich realisieren. Von den Top ten der Pharmabranche bis hin zu Krankenkassen sind die Referenzen internationaler Unternehmen beeindruckend vielseitig. Einfach mal reinschauen unter https://www.animares.com/cms/de oder direkt eine Nachricht an Pablo Olmos senden: pablo.olmos@animares.com
Im Bild: Rodrigo und Pablo Olmos, Gründer und CEO Anima Res