Es gehört mehr dazu!
Dass die Wirksamkeit von Arzneimitteln und Therapien für Verordner im Vordergrund steht, ist unbestritten, doch wie stark werden die Akteure in ihrem Verschreibungsverhalten durch den Markenwert beeinflusst? Die im Dezember 2022 erstellte internationale Studie mit dem Titel „Healthy Reputation: More Than Medicine“ offenbart, dass die Reputation eines Unternehmens das Verordnungsverhalten stark beeinflusst. Im Positiven wie im Negativen. Denn eine Marke steht für HCP für mehr als nur eine wirksame Therapieoption, sodass sie lieber Produkte einer Marke verschreiben, hinter der ein respektables Unternehmen steht. Das heißt: Vertrauen entsteht eben nicht nur durch hochwertige Medikamente und Therapien, sondern dazu gehört mehr: der Blick für den Patienten, den Behandler und die Welt als Ganzes. Dass die Pharmabranche hier in besonderer Weise liefern muss, beobachtet WE Communications kontinuierlich in der Dach-Studie „Brands in Motion“, die mittlerweile zum siebten Mal erschienen ist.
Seit 2017 steigt demnach die Erwartungshaltung in Sachen gesellschaftliches Engagement Unternehmen gegenüber stetig an. 82 Prozent der Befragten sagen dort, dass Health und Wellbeing Companys einen Mehrwert für die Gesellschaft über die Bereitstellung ihrer Güter und Dienstleistungen hinaus schaffen sollten, 73 Prozent sagen das über Pharma- und Biotech-Unternehmen. Von Technologie- oder Finanz-Unternehmen erwartet man das in wesentlich geringerem Maße (68 % bzw. 52 %). Das Schlusslicht ist hier die Autoindustrie (48 %).
Mehr als 1.000 Fachleute des Gesundheitswesens, darunter Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker sowie Pflegepersonal standen für den „Motion Health Report“ Rede und Antwort und gaben Auskunft zu ihren Ansichten über die Biotech- und Pharma-Industrie. WE Communications arbeitete bei der Studie mit Sapio Research in Australien, China, Deutschland, Indien, Großbritannien und den USA zusammen.
■ Wenn der Ruf vorauseilt
Bezüglich der Wahl eines Medikaments durch den HCP gilt neben den funktionalen Faktoren, wie Wirksamkeit und Sicherheit, der Ruf des jeweiligen Unternehmens als wichtigster Entscheidungsfaktor.
Auf einer aufsteigenden Skala von 1 bis 10 ordnen die medizinischen Fachkräfte den Unternehmensruf bei fast 8 (7,66) ein. Zu den Top-3-Faktoren, die zur Bildung eines guten Rufs beitragen und damit als außerordentlich einflussreich gewertet werden, gehören die Qualität edukativer Inhalte (57 %), die Beziehungen zu Patienten oder zu weiteren Gesundheitsorganisationen (49 %) sowie die Meinungsführerschaft der leitenden Personen hinsichtlich Gesundheitsfragen (45 %).
Auf der anderen Seite behindert den Umfrageergebnissen zufolge ein schlechter Ruf des Unternehmens die Tendenz eines HCP, ein Medikament zu verschreiben oder zu empfehlen ernsthaft. Ein schlechter Ruf (65 %), gefolgt von einem juristischen Problem (63 %) werden als Hauptgründe angegeben; selbst wenn dieses rechtliche Problem nichts mit dem verschriebenen Medikament oder dem therapeutischen Bereich zu tun hatte oder hat. Wenn zwei Medikamente hinsichtlich Wirksamkeit, Sicherheit und Preis vergleichbar sind, werden der Unternehmensruf (60 %) und das jeweilige Renommee in dem entsprechenden Therapiebereich (59 %) zu den wichtigsten Faktoren bei der Entscheidungsfindung.
■ Ein Plus für die Patienten muss drin sein
Eine große Rolle spielt für die Befragten das Thema Patientenzentrierung. 9 von 10 medizinischen Fachkräften geben an, dass sie von Pharmaunternehmen einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsergebnisse von Patienten erwarten, der über hochwertige Therapien hinausgeht: Es wird erwartet, dass Patientenbildung und -unterstützung vom Unternehmen gefördert sowie Verständnis für diese Zielgruppe und deren gelebte Erfahrungen demonstriert wird. Dem Thema Patientenzentrierung folgen in der Erwartungshaltung der HCP die Themen Innovation und Fortschritt. Allerdings sehen nur 45 Prozent der Befragten, dass Pharma- und Biotechmarken diese an sie gestellten Erwartungen in „großem“ oder „hohem“ Maße bisher erfüllen.
„Fachleute im Gesundheitswesen wollen, dass Unternehmen ihre Entscheidungen und Entwicklungen grundsätzlich an den Patienten und ihren Bedürfnissen ausrichten, dass sie den Patienten Gehör verschaffen und geeignete Unterstützungsprogramme anbieten“, kommentiert Marla Lüers, Account Director bei WE Germany, die Studienresultate.
Wie können Pharmaunternehmen das anpacken? Biotech- und Pharmamarken müssen, so empfehlen die Studienautoren, effiziente Kommunikationswege entwickeln, damit sie die Bedürfnisse von Patienten und HCP bestmöglich verstehen. Um Patient Centricity optimal zu demonstrieren, sollten 1. Patientenunterstützungsprogramme angeboten, 2. komplexe Gesundheitsinformationen verständlich kommuniziert und 3. das Verständnis für die gelebte Patientenerfahrung deutlich gezeigt werden.
Künstliche Intelligenz und Big Data gehören mittlerweile bei den meisten Pharma- und Biotech-Unternehmen zum Geschäft, allerdings dürften Innovationen – die bei den HCP ebenfalls hoch bewertet werden – kein Selbstzweck sein. Angehörige der Gesundheitsfachberufe seien an Ergebnissen von Innovationen interessiert, daher sei auch hier eine offene Kommunikation wichtig. Getragen werden könne dies von Partnerschaften mit Organisationen außerhalb des Gesundheitssektors, dem Einsatz Künstlicher Intelligenz sowie der Anwendung von Big Data. Das seien gute Voraussetzungen, um die Entwicklung neuer Behandlungs- oder Wirkweisen in einem Therapiegebiet sowie die Einführung von Technologien zur Unterstützung bzw. Effizienzsteigerung, zum Beispiel bei klinischen Studien oder der Herstellung von Arzneimitteln, voranzutreiben. Auch die Entwicklung neuer Behandlungs- oder Darreichungsformen in einem Therapiebereich würden dadurch begünstigt. Bei all dem sei jedoch wichtig, dass die Unternehmen „bei sich“ blieben. Die Unternehmens-DNA müsse definiert sein, sich in den Maßnahmen widerspiegeln und in diesem Sinne kommuniziert werden.
„Besonders in der Pandemie hat sich gezeigt, wie sehr die Biotech- und Pharma-Industrie für ihre hochwertigen Therapien und ihre Forschungstätigkeit geschätzt wird. Unsere Umfrage zeigt jedoch, dass das allein noch zu wenig ist. Vielmehr ist es notwendig, dass die Branche einen Schritt weiter geht und sich ganzheitlich und mit nachhaltiger Wirkung für den Menschen und die Gesellschaft einsetzt. Ganz konkret durch die Bildung und Unterstützung von Patienten, aber auch in Bezug auf die Prävention von Erkrankungen. Neben diesem traditionellen Tätigkeitsfeld wird erwartet, dass Unternehmen sich dem großen Ganzen widmen – also auch gesellschaftlichen und ökologischen Problemen“, erläutert Bianca Eichner, Managing Director WE Communications Germany.