Vom kritischen zum sicheren Erfolgsfaktor
Bisher seien von den Pharma- und Healthcareunternehmen nur wenige disruptive Maßnahmen umgesetzt worden – zu wenige, um von den ausgemachten Branchentrends zu profitieren und sich erfolgreich für die Zukunft zu positionieren, ist das Resümee der Studienautoren, zu denen auch der langjährige Abbvie-Manager Dr. Stefan Simianer gehört. Ein Blick auf die acht bewerteten Pharmatrends zeigt, dass „Daten als Wegbereiter in der Arzneimittelentwicklung“ die höchste Relevanz haben, dicht gefolgt von „datengetriebenen Geschäftsmodellen“ (siehe Grafik). Mit etwas geringerer Relevanz, jedoch dem größten Disruptionspotenzial, wartet die „Präzisionsmedizin“ auf.
Ebenfalls als wichtige Trends werden Partnerschaften und Externalisierung sowie neuartige, sprich Remote- oder virtuelle Ansätze für klinische Studien identifiziert, jedoch lassen diese ein weitreichendes Disruptionspotenzial vermissen. „Der vieldiskutierte Trend der Digitalen Therapeutika wurde als am wenigsten disruptiv und als vergleichsweise wenig relevant gesehen“, so die Autoren. Konzentrieren wir uns also auf die Top-Trends.
„Kleine wie große Unternehmen schätzen die Relevanz von Daten als Wegbereiter für die Arzneimittelentwicklung als sehr hoch ein“, stellen die Autoren fest und zählen auf, dass dadurch Vorteile in der Verbesserung der Effizienz und der Geschwindigkeit der F&E-Prozesse sowie in der Verringerung von Unsicherheiten gesehen werden. Dabei erhalten solche Daten von Unternehmen das Prädikat „wertvoll“, die im Rahmen der eigenen Projekte generiert werden; noch höher ist jedoch die Relevanz von externen Daten. „Trotz dieser Erkenntnis ist die Einschätzung der eigenen Bereitschaft, dem Trend zu begegnen, vergleichsweise gering“, so das Fazit der Autoren, denn 84 % der 24 befragten Top-Manager der Pharmaindustrie halten den Trend für relevant, erst 69 % haben allerdings bisher vorbereitende Maßnahmen bezüglich einer Umsetzung getroffen. Vor allem Personalgewinnung und das Eingehen von Partnerschaften werden hier als erfolgreiche Instrumente identifiziert.
Und wie sieht das bei dem Trend der datengetriebenen Geschäftsmodelle aus? Den bewerten vor allem große Pharmaunternehmen als hoch (79 %), während von den kleineren nur 45 % eine große Bedeutung in diesem Trend erkennen. Ein breites Spektrum der möglichen Nutzung von Gesundheitsdaten wird hier ausgemacht, allen voran Erfolgsgeschichten wie die Verwendung von Anwendungsdaten aus Israel durch Biontech und Pfizer für die Zulassung ihres COVID-19-Impfstoffes werden als Best Practice genannt. Aber: mangelnde Dateninfrastruktur, der Datenschutz und regulatorische Hindernisse gelten für die Unternehmen als Hemmschuhe bei der Nutzung von Real-World-Evidence-Daten in Verbindung mit Daten aus kontrollierten Studien.
Die Frage nach effektiven wettbewerbsstärkenden Maßnahmen lässt die Ende 2022 erstellte Studie nicht unbeantwortet – ein Winning Point, wenn man bedenkt, dass den Umfrageergebnissen zufolge
36 % der Unternehmen noch keine Maßnahmen ergriffen haben, um den aktuellen Trends zu begegnen. Neben dem Schließen von Kompetenzlücken durch die Fortbildung Mitarbeitender sowie dem Einstellen von Hightech- und Business-Talenten werden Partnerschaften, die über den eigenen Kompetenzbereich hinausgehen, als obligatorisch betrachtet. Eine Steigerung der Agilität bei gleichzeitiger Teilung des Risikos und Verkürzung der Markteinführungszeit sind hier das große Plus. Wer dann die Daten nutzt, um effektiver und effizienter zu werden, die Wettbewerber zudem immer im Blick hat und nicht zuletzt mit mutigen Entscheidungen auch mal First Mover ist, hat gute Chancen, Master of Change zu werden.