Marktforschung entlang des Produktlebenszyklus eines Rx-Präparates
>> Im Verlauf des Lebenszyklus eines Rx-Präparates verändern sich die Fragestellungen, die Marketing, Produktmanager sowie Geschäftsführung beantwortet wissen möchten. In der vorherrschenden Literatur zu diesem Thema, wird der Lebenszyklus eines Rx-Präparates nach der Forschungs- und Entwicklungsphase in der Regel schematisch wie in Abb. 1 dargestellt. Zu jeder Phase gibt es in Abhängigkeit des zu erwartenden Umsatzes naturgemäß unterschiedliche Fragestellungen, die durch die Marktforschung beantwortet werden müssen.
Die Pre-Launch Phase
In der Regel setzen die primären Marktforschungsaktivitäten mit der Pre-Launch Phase ein. In dieser Phase, die sich zeitlich ca. zwölf Monate vor dem Launch bewegt, müssen Informationen zum Marktgeschehen und den Entscheidungsprozessen in der entsprechenden Indikation gesammelt und analysiert werden, um die zukünftige Positionierung des eigenen Produktes vorzubereiten. Insbesondere Informationen zum Verschreibungsverhalten der Ärzte hinsichtlich der künftigen Wettbewerber, vorhandene Verschreibungsbarrieren sowie existierende Wünsche der Ärzte bzgl. Produkteigenschaften, die bislang (noch) nicht erfüllt werden konnten, gilt es zu erforschen. Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen, welche Kommunikationskanäle Ärzte nutzen bzw. sich wünschen. Welche Informationen benötigen Ärzte bzw. können den Markterfolg fördern? Mit welchen Botschaften arbeiten die Hauptwettbewerber? Gibt es unterschiedliche Segmente unter den Ärzten, die im Rahmen der Kommunikationsaktivitäten berücksichtigt werden müssen? Insgesamt geht es zu diesem Zeitpunkt darum, den Weg für das neue Präparate zu definieren und damit den Grundstock des zukünftigen Markt-erfolges zu legen. Damit ist die Pre-Launch Phase eine der wichtigsten Phasen, um den Erfolg eines Produktes langfristig zu sichern. In dieser Phase sind folgende Marktforschungsprojekte sinnvoll:
- Touchpoint Tracker zur kontinuierlichen Messung der Kommunikationsaktivitäten der Wettbewerber (Welche Botschaften? Welche Kanäle? Welcher Erfolg?)
- Pre-Launch Tracker zur Erfassung rationaler Verschreibungsgründe in der Indikation, bislang nicht erfüllter Bedürfnisse bzw. Wünsche der Ärzte sowie Messung der Positionierung der zukünftigen Wettbewerber aus Sicht der Ärzte
- Messung der emotionalen Wahrnehmung vorhandener Hauptwettbewerber in der Indikation zur Bestimmung der eigenen zukünftigen emotionalen Positionierung (z.B. durch den Emotional Branding Monitor – EBM)
- Entwicklung von Kommunikationsmaterialien (Besprechungsunterlagen, Anzeigen, etc.) sowie deren Inhalte (Story-Flow, Botschaften, Claim, etc.) durch qualitative Studien (Tiefeninterviews/Gruppendiskussionen) sowie quantitativen Validierungsstudien in der Zielgruppe (Zielärzte).
Die Launch-Phase – Markteinführung
Die Launch-Phase zeichnet sich dadurch aus, dass zu diesem Zeitpunkt (nach der Zulassung) das neue Präparat besprochen werden kann und damit die Kommunikation mit den Ärzten durch den kommerziellen Außendienst seinen Anfang nimmt. In dieser Phase ist es für einen Markterfolg in der Regel wichtig, die Kommunikation mit den Zielärzten möglichst kontinuierlich und fokussiert zu gestalten. Abhängig von den Möglichkeiten des Herstellers (z.B. Anzahl der Außendienstmitarbeiter etc.), können in dieser Phase auch verschiedene Kommunikationskanäle in unterschiedlichster Intensität zum Einsatz kommen. Damit ist es in dieser Phase besonders wichtig, den Erfolg der Maßnahmen kontinuierlich zu erfassen, um möglichen Fehlentwicklungen frühzeitig entgegenwirken zu können. Zu diesem Zeitpunkt ist es elementar, zeitnah an den Marktereignissen zu sein und agil darauf reagieren zu können. Damit kommen folgende Marktforschungsaktivitäten zum Einsatz:
- Real Time Touchpoint Tracker, Message Recall – als Erfolgsmessung zur kontinuierlichen Messung der eigenen Kommunikationsaktivitäten und deren Erfolg sowie die der Wettbewerber
- Kontinuierlicher Launch Tracker (alle 3/6 Monate) zur Erfassung des Verschreibungsverhaltens der Ärzte in der Indikation, der Akzeptanz des neuen Präparates sowie Erfassung der Positionierung des eigenen Produktes im Wettbewerbsumfeld aus Sicht der Zielärzte
- KPI Tracking (z.B. alle 2/3 Monate) zur Erfolgsmessung der wichtigsten Kennziffern (ungestützte/gestützte Erinnerung, Verschreibungsverhalten, Veränderungen in der Wahrnehmung des Produktes im Wettbewerbsumfeld etc.). Hier ist es wichtig, die KPIs regelmäßig und zeitnah zu erfassen, um möglichen Fehlentwicklungen entgegenwirken zu können (Speed Panel mit Zielärzten). Werden in dieser Phase Fehler gemacht, sind die Auswirkungen meist mittelfristiger Natur und können den Markterfolg gefährden.
- Regelmäßige Messung der emotionalen Wahrnehmung des neuen Produktes im Wettbewerbsumfeld zur Bestimmung der eigenen emotionalen Positionierung (z.B. durch den Emotional Branding Monitor (EBM). In der Regel zeigen sich sehr schnell passende emotionale Positionierungen, die einen Markterfolg nach sich ziehen können.
- Weiterentwicklung der Kommunikationsmaterialien (Besprechungsunterlagen, Anzeigen, etc.) sowie deren rationaler und emotionaler Wahrnehmung durch qualitative Studien (Tiefeninterviews/Gruppendiskussionen) sowie quantitativen Studien (EBM) in der Zielgruppe (Zielärzte). Damit wird es möglich Materialien, Botschaften und Claims auf ihre Wirkung hinsichtlich der rationalen und emotionalen Wahrnehmung des neuen Präparates zu messen. Damit ist eine zeitnahe Justierung der Maßnahmen möglich, falls notwendig.
Die Wachstumsphase – steigender Umsatz
In der Wachstumsphase gilt es die erfolgreichen Maßnahmen weiter auszubauen und zu verstetigen, den Markt zu beobachten und neue Wettbewerbsprodukte zu monitoren, um Auswirkungen auf das eigene Produkt durch Anpassungen der Kommunikation möglichst gering zu halten. In einigen Fällen ist es in dieser Phase auch notwendig, die eigene Positionierung grundsätzlich zu verändern und die Kommunikation entsprechend umzustellen bzw. mit neuen Botschaften und Studien zu festigen. In dieser Phase ist es das Ziel, die Wachstumsphase möglichst lange aufrechtzuerhalten.
In dieser Phase sollten folgende Maßnahmen zur Informationssammlung ergriffen werden:
- Real Time Touchpoint Tracker, Message Recall – als Erfolgsmessung zur kontinuierlichen Messung der eigenen Kommunikationsaktivitäten und deren Erfolg sowie die der Wettbewerber (Wettbewerbsbeobachtung)
- Kontinuierlicher ATU/U&A Tracker (alle 6 Monate) zur Erfassung des Verschreibungsverhaltens der Ärzte in der Indikation, der Akzeptanz des eigenen Präparates sowie Messung der Positionierung des eigenen Produktes im Wettbewerbsumfeld aus Sicht der Zielärzte
- KPI Tracking (z.B. alle 3 Monate) zur Erfassung der wichtigsten Kennziffern (ungestützte/gestützte Erinnerung, Verschreibungsverhalten, Veränderungen in der Wahrnehmung des Produktes im Wettbewerbsumfeld). Hier ist es wichtig, die KPIs zeitnah zu erfassen, um möglichen Fehlentwicklungen entgegen wirken zu können (Speed Panel mit Zielärzten).
- Deep Dive Recall (IDIs), falls Unstimmigkeiten in der Kommunikation oder mögliche Fehlentwicklungen durch vorangegangene Studien aufgedeckt wurden
- Regelmäßige Messung der emotionalen Wahrnehmung (alle 6 Monate) des eigenen Produktes im Wettbewerbsumfeld zur Bestimmung der eigenen emotionalen Positionierung (z.B. durch den Emotional Branding Monitor (EBM) sowie möglicher Positionierungsveränderungen in der Wahrnehmung der Zielärzte.
- Weiterentwicklung der Kommunikationsmaterialien (Besprechungsunterlagen, Anzeigen, etc.) sowie deren rationaler und emotionaler Wahrnehmung durch qualitative Studien (Tiefeninterviews/Gruppendiskussionen) sowie quantitativen Studien (EBM) in der Zielgruppe (Zielärzte). Damit wird es möglich Materialien, Botschaften und Claims auf ihre Wirkung hinsichtlich der rationalen und emotionalen Wahrnehmung des eigenen Präparates zu messen. Damit sind eigene Anstrengungen zu einer möglichen Umpositionierung des eigenen Produktes objektiv messbar.
Die Reifephase – stagnierender Umsatz
In der Reifephase angekommen, gilt es, die eigene Positionierung im Wettbewerbsumfeld möglichst kostengünstig lange aufrechtzuerhalten. Die Möglichkeiten der primären Marktforschung sind in dieser Phase in der Regel aus Budgetgründen begrenzt. Die Kommunikation findet nicht mehr fokussiert statt. Idealerweise (wenn es die Kostensituation zulässt) sollten in dieser Phase folgende Aktivitäten ergriffen werden:
- Real Time Touchpoint Tracker – als Marktbeobachtung zur kontinuierlichen Messung der eigenen Kommunikationsaktivitäten sowie die der Wettbewerber
- Kontinuierlicher ATU/U&A Tracker (alle 6 Monate) zur Erfassung des Verschreibungsverhaltens der Ärzte in der Indikation sowie der Akzeptanz des eigenen Präparates sowie Messung der Positionierung des eigenen Produktes im Wettbewerbsumfeld aus Sicht der Zielärzte
- Qualitative Tiefeninterviews oder Gruppendiskussionen zur Evaluierung möglicher Maßnahmen, um die Reifephase möglichst lange aufrechterhalten zu können
Phase der Marktsättigung – sinkender Umsatz
In der Phase der Marktsättigung gilt es, die fallenden Umsätze möglichst zu verlangsamen. Da auch in dieser Phase selten größere bzw. kaum Marktforschungsbudgets zur Verfügung stehen, werden keine nennenswerten Marktforschungsprojekte mehr betrieben. Es sei denn, es ergeben sich Perspektiven durch zusätzliche Zulassungen für Indikationserweiterungen. In diesem Fall werden dann auch neue Budgets zur Verfügung gestellt. Im Falle einer Zulassungserweiterung werden die Marktforschungsmaßnahmen relevant, die bereits in der Pre-Launch Phase (und den folgenden Phasen) beschrieben wurden.
Die Degenerierungsphase – Übergang zum Generikum
Diese Phase wird in der Regel durch den Auslauf des Patentschutzes eingeleitet. Marktforschungsaktivitäten finden in der Regel nicht mehr statt.
Zusammenfassung
Dieser Versuch einer Einordnung möglicher Maßnahmen entlang des Produktlebenszyklus, soll dazu beitragen, Unsicherheiten bei vielen Marktteilnehmern hinsichtlich des Einsatzes sinnvoller Marktforschungsstudien im Zeitverlauf zu verringern (zusammenfassende Übersicht in Abb. 2). Sicherlich sind hiermit nicht alle möglichen Aktivitäten abgedeckt, aber sicherlich die wichtigsten. Marktforschung muss sich an den Bedürfnissen und Fragestellungen der Kund:innen orientieren. Die Fragestellungen ändern sich aber naturgemäß im Zeitverlauf des Produktlebens und müssen damit immer wieder neu überdacht und an die Marktverhältnisse angepasst werden. Damit gilt der alte Ausspruch: „Weg von unkoordinierten Marktforschungsstudien, die aus der Situation heraus entstehen, hin zu Marktforschungsprogrammen als konzeptionelle Begleitung zur erfolgreichen Entwicklung des Präparates im Wettbewerbsumfeld.“ Wir müssen unseren Kund:innen valide Informationen an die Hand geben, die es ermöglichen auf Marktveränderungen wirklich zeitnah zu reagieren – oder besser noch proaktiv zu agieren. <<
AutorUdo Jellesen verantwortet seit 2014 den Bereich Healthcare Research bei Interrogare. Davor sammelte er seine ausgewiesene Expertise in der Pharmamarktforschung in über 20 Jahren bei EMNID/TNS-Healthcare/Kantar Health. Der Diplom-Ökonom war als Key Account Manager und Prokurist verantwortlich für die Geschäftsentwicklung mit diversen pharmazeutischen Unternehmen, darüber hinaus für den Ausbau des Multiclientgeschäftes verantwortlich.
Kontakt: Udo.Jellesen@interrogare.de
Interrogare Healthcare Research
Interrogare ist ein Full-Service Marktforschungsinstitut mit Hauptsitz in Bielefeld sowie Büros in Hamburg und Düsseldorf. 1999 von Peter Wiegelmann und Martin Kühn als Softwaredienstleister für Online-Marktforschung gegründet, beschäftigt Interrogare heute über 70 fest angestellte Mitarbeitende. Der Healthcare-Bereich der Interrogare GmbH wurde 2014 von Udo Jellesen aufgebaut und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Mehr als zehn festangestellte Healthcare Consultants – mit insgesamt über 80 Jahren Erfahrung in der Pharmamarktforschung – arbeiten mit den Teams Programmierung, Datenanalyse, Coding und Charting inhouse zusammen.
Das Healthcare-Marktforschungsteam unterstützt die Kunden bei der Realisierung nationaler wie internationaler Projekte in den Bereichen Rx, OTx und OTC: von der Problemanalyse über die Konzeption, Umsetzung und Auswertung von Studien bis hin zu benötigten technischen Dienstleistungen – und zwar alles aus einer Hand.
Ein besonderes Highlight ist das hauseigene HCP-Panel, das sich durch die persönliche Betreuung, die Kommunikation auf Augenhöhe sowie ausgewiesene Qualität und sehr hohen Responseraten im Vergleich zu anderen HCP-Panels auszeichnet. Derzeit sind u.a. APIs, Diabetologen, Gynäkologen, Hämato-/Onkologen, Kardiologen, Neurologen, Ophthalmologen, Pneumologen, Rheumatologen und Urologen. Zudem ist der Auf- bzw. Ausbau weiterer Facharztgruppen auf Grundlage gewünschter Zielärzte jederzeit möglich und können auch weitere Zielgruppen wie z.B. Apotheker oder Nurses ad hoc rekrutiert und befragt werden.
Das Leistungsportfolio umfasst darüber hinaus den sogenannten Touchpoint Tracker. Ein Tool, bei dem Ärzte jeden Kontakt mit der Pharmaindustrie proaktiv selbst dokumentieren und diese Ergebnisse annähernd real time zur Verfügung stehen. Mehr unter www.interrogare.de.