Tradition und Innovation verbinden
>> Herr Dr. Bauer, Herr Wendt, was war der Anlass für Sie, einen solchen Summit für Marketing- und Vertriebsverantwortliche ins Leben zu rufen?
Dr. Frank Bauer: In der Vorbereitung zur Veranstaltung haben wir mit zahlreichen Verantwortlichen aus dem Pharmamarkt gesprochen, um herauszufinden, welche Themen die Branche bewegt. Viele Themen waren getriggert und beeinflusst durch die Corona-Pandemie. Also Fragen wie: Was passierte im Pharmavertrieb während der Pandemie? Wie waren Kundenzugänge? Was wird sich danach verändern? Wird alles wieder so wie vor der Pandemie werden?
Die Antwort ist relativ einfach: Nein, wird es nicht. Daran schließt sich die naheliegende Frage an: Aber wie wird es eigentlich werden? Das sind hochspannende und interessante Themen und Fragestellungen, die wir mit einem breiteren Publikum diskutieren wollen. Und die Veranstaltung möchte Impulse geben.
Ich denke nicht, dass wir jetzt schon zu viel spoilern, aber ist beim Thema Pharmavertrieb der Zukunft auch die Antwort einfach 42? Oder anders gefragt: Welche Verbindung gibt es zwischen dem Pharmavertrieb und einer „Fahrt mit oder ohne Anhalter“ durch die Galaxis?
Gunter Wendt: Eine so klare und einfache Antwort gibt es in dieser komplexen Pharmavertriebsthematik definitiv nicht. Wir möchten mit der Veranstaltung erreichen, das Schwarz-Weiß-Denken zu überwinden, also traditionelle versus digitale Vertriebsmodelle. Uns geht es darum, Brücken zwischen Tradition und Innovation zu bauen. Bei der digitalen Transformation müssen wir sehr viele verschiedene Akteur:innen mitnehmen.
Wir haben bewusst Referent:innen aus unterschiedlichen Bereichen und Branchen eingeladen, um Impulse und Denkanstöße aus diversen Perspektiven zu erhalten. Unser Ziel ist eine „Mitmach-Veranstaltung“, auf der die Teilnehmer mitdiskutieren und sich austauschen sollen. Denn es gibt nicht die eine Lösung für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen – wir müssen gemeinsam an Lösungen arbeiten und sie umsetzen.
Welche Themen werden bei der Veranstaltung diskutiert? Warum holen Sie genau diese Aspekte und Perspektiven auf die Bühne?
Dr. Frank Bauer: Das sind die Themen, die unsere Kunden im Moment bewegen und ein Stück weit die Grundfesten berühren – also wie kommuniziere ich aktuell und in Zukunft mit meiner Arzt- und Kundengruppe aus Arzneimittelhersteller- oder Medizinprodukteherstellersicht, die früher relativ einfach zu erreichen war.
Wir haben verschiedene Themen mit Bezug zur digitalen Transformation, denn diese Veränderungen betreffen unsere Mitarbeiter:innen und auch die Mitarbeiter:innen unserer Kunden – und das sind ja nicht wenige, sondern wir liegen hier in einer Größenordnung von ungefähr 12.000 Mitarbeitenden. Wir sollten uns auch von der Begrifflichkeit verabschieden, dass Pharmareferent:in synonym ist mit Außendienst. Das ist längst nicht mehr der Fall. Deshalb stehen auch Themen rund um Multi- und Omnichannel auf dem Programm. Unsere Neugierde und Begeisterung für Veränderungen möchten wir weitergeben, vor allen Dingen weil wir eine Riesenchance darin sehen.
Gunter Wendt: Lennart Bösch von Roland Berger beschäftigt sich beispielsweise in seinem Referat mit einem neuen Ansatz der Impactanalyse von einzelnen Touchpoints innerhalb von Customer Journeys. Mit Advanced Analytics können damit substanzielle und evidenzbasierte Entscheidungsgrundlagen auch im Pharmavertrieb geschaffen werden. Ebenso könnte damit der Output gemessen werden.
Sie haben das Thema schon angesprochen: digitale Transformation und Nutzung von Daten – was bedeutet das und welche Potenziale sind im Vetrieb damit verbunden?
Dr. Frank Bauer: Die richtige Anwendung von Daten kann von den Vertriebsmitarbeiter:innen als individuelle Entscheidungsgrundlage und Handlungsempfehlung genutzt werden. Die Vertriebswelt ist komplexer geworden. Je tiefer wir da reingehen und genauer fragen, desto mehr Antworten bekommen wir. Das ist ähnlich wie der Blick in die Galaxie. Mit den Bildern des neuen Teleskops sehen wir viele Dinge deutlicher, aber es wirft auch neue Fragen auf. Die Antwort 42 ist natürlich eine kleine Provokation. Aber wir sind überzeugt davon, dass Daten und digitale Transformation viele Chancen bieten, den Pharmavertrieb in die Zukunft zu führen.
Gunter Wendt: Man sollte sich aber auch im Klaren darüber sein, dass Digitalisierung Prozesse verkomplizieren kann. Digital baut vielleicht auch Hürden auf – uns ist es deshalb unglaublich wichtig, Lösungen zu finden, die für alle barrierefrei sind.
Sie haben das jetzt schon mehrfach angesprochen: Was sind die Bedürfnisse der Zielgruppen? Und was heißt das für die Weiterentwicklung der Mitarbeiter:innen?
Gunter Wendt: Wir haben bei unserer Veranstaltung auch zwei Vorträge rund um das Thema Digitale Gesundheitsanwendungen. Für den Vertrieb bieten sich da ganz neue Möglichkeiten an, solche DiGAs zu vermarkten. Sie brauchen dafür allerdings digital-begeisterte, technisch-affin und wissenschaftlich-interessierte Mitarbeiter:innen – ein vollkommen neues Profil wird in dem Bereich verlangt.
Auch da liegen enorme Möglichkeiten, neue Mitarbeiter:innen zu rekrutieren.
Dieser Wandel betrifft aber nicht nur die Mitarbeiter:innen, sondern natürlich auch die Führungsebenen. Ich muss heute meine Teams ganz anders führen und nicht nur auf Besuchskontakte setzen – es gibt andere KPIs, die heute wichtig sind.
Dr. Frank Bauer: Wir müssen darauf reagieren, dass nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch die Zielgruppen immer digitaler werden. Es braucht auch Lösungen für die Veränderungen im Healthcaremarkt, die beispielsweise dadurch bedingt sind, dass immer mehr Medizinische Versorgungszentren entstehen. Für den Vertrieb bedeutet das, dass ich mit veränderten Entscheidungsstrukturen umgehen muss.
Einen Punkt möchte ich an dieser Stelle betonen: Der Vertrieb ist meiner Einschätzung nach eines der spannendsten Berufsfelder. Die Informationen, die ich weitergebe, haben Relevanz. Pharmareferent:innen sind gerade in unserem komplexen Gesundheitssystem als wissenschaftliche Orientierungshilfe und als Manager der zahlreichen Informationen äußerst wertvoll. Kommunikativ stark zu sein, heißt nicht, dass ich einen Gesprächsleitfaden fehlerfrei herunterbeten kann, sondern es geht darum, Fragen stellen und gut zuhören zu können, welche Informationen zu welcher Zeit braucht mein Gegenüber tatsächlich.
Die Veranstaltung steht unter dem Motto „Zurück oder in die Zukunft“. Welche gravierenden Veränderungen sind in den kommenden Jahren zu erwarten? Muss der Pharmavertrieb vielleicht – um im Bild zu bleiben – ganz neue (Vertriebs-)Galaxien betreten, um auch in Zukunft von Bedeutung zu sein und erfolgreich agieren zu können?
Gunter Wendt: Ich glaube, das Thema Vertrieb wird neben der Digitalisierung und Datennutzung von einem weiteren Megatrend bestimmt, nämlich dem Fachkräftemangel. Der Bedarf an hochqualifizierten Salesexperten ist weiterhin hoch. Da müssen sowohl die Dienstleister als auch die Industrie Antworten finden.
Dr. Frank Bauer: Es wird auch in zehn Jahren noch einen Pharmavertrieb geben und es wird auch Menschen geben, die in diesem Bereich arbeiten. Wir werden nie eine rein digitale Welt schaffen, denn der human touch spielt insbesondere im medizinischen Umfeld eine wichtige Rolle. Wenn Sie mich nach einem genauen Bild des Wandels fragen, dann sage ich: Es ist wie eine Reise in eine neue Galaxie. Ich habe eine Vorstellung davon: Die Art und Weise, wie wir mit den verschiedenen Zielgruppe kommunizieren, wird tiefgreifender sein.
Es ist spannend, neue Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen. Es setzt nur bei allen Beteiligten eines voraus: Wir müssen die Veränderung wirklich als Chance wahrnehmen und uns ganz bewusst darauf einlassen. Die Pharmaindustrie steht für Innovationskraft und das Thema Forschung, medizinischer Fortschritt und Innovation sollten wir auch im Vertrieb hervorheben und mit unseren Mittel bespielen.
Gunter Wendt: Mit unserer Veranstaltung wollen wir den Teilnehmenden neben all den inhaltlichen Themen auch eine Plattform bieten, auf der mit Freude diskutiert und ausgetauscht wird. Wir wollen zeigen: Zukunft kann Spaß machen!
Herr Dr. Bauer und Herr Wendt, vielen Dank für das Gespräch. <<