„Plötzlich ein lauter Knall und als erstes ein Klingeln in meinem rechten Ohr. Mein Körperschutz hing in meinem Gesicht, mein rechter Arm war verletzt und ich konnte ihn nicht bewegen. Ich war auf der Suche nach einem Tourniquet (Abbindesystem, durch das der Blutfluss in den Venen und Arterien gestaut oder vollständig unterbrochen werden kann. Anm. d. Red.), um das Blut zu stoppen, und rief einen meiner Kollegen, der mir helfen sollte“, berichtet Hari Budha Magar von dieser Katastrophe, die sich bei einem Patrouillen-Gang 2010 in Afghanistan ereignete. „Mein rechtes Bein war nicht da, mein linkes baumelte nur noch am seidenen Faden.“

Kampf um einen „vollwertigen“ Platz in der Gesellschaft

Als er im Krankenhausbett aufwachte, fühlte er sich hoffnungslos und stellte sich die Frage nach einer lebenswerten Zukunft. Dass er sich 13 Jahre später auf dem Gipfel des Mount Everest wiederfinden würde, war für Magar damals nicht vorstellbar. Er habe sich in den ersten Tage nicht getraut, die Bettdecke zu heben und seine Beine zu betrachten, erzählt er. Die Absicht, den Mount Everest zu besteigen, hatte er hingegen schon lange; er war im Schatten des Achttausenders aufgewachsen und von Kindesbeinen an fasziniert.

Durch seine Armeezugerhörigkeit – Magar war seit 1999 Mitglied des Royal Gurkha Rifles Regiments, einem Regiment des Britischen Heeres, dessen Soldaten in Nepal rekrutiert werden – hatte er nach dem Unfall priviligierten Zugang zu Prothesen. Damit kämpfte er sich ins Leben zurück: Zwölf Monate trainierte und therapierte er Körper und Geist und mit dem neuen Selbstwertgefühl wuchs auch sein Wunsch, die von der Gesellschaft gesetzten Grenzen für „behinderte“ Menschen einzureißen.

Hindernisse aus dem Weg räumen

Über Fallschirmspringen, Kajak-, Rad- und Skifahren gelangte er zum Klettern. Magar war der erste doppelt Oberschenkelamputierte (DAK – Double Above Knee), der einen Sechstausender bestieg. Das gelang ihm im Jahr 2017 mit dem Mera Peak in Nepal. Dem Mount Everest stand neben dem Training und der entsprechenden Ausrüstung „nur“ noch ein nepalesisches Gesetz im Weg, das Menschen mit Behinderung den Aufstieg verbot. Gemeinsam mit anderen Akteuren klagte Hari Budha Magar gegen selbiges – und das mit Erfolg.

„Eine Behinderung zu haben, muss nicht lebensbegrenzend sein; was auch immer dich zurückwirft, du kannst das Leben in vollen Zügen leben. Aber diese Wahrnehmung zu ändern, wird ein größerer Kampf sein als der Aufstieg auf den Everest.“ Den Everest hat Magar am 19. Mai 2023 geschafft, an der Awareness für das Standing und die Potenziale von Menschen mit Behinderung arbeitet Magar jetzt zusammen mit Ottobock. Zunächst nutzte er die C-Leg Beinprothese des Unternehmens aus Duderstadt, inzwischen gibt ihm das Modell Genium X3 noch mehr Bewegungsfreiheit. Für seine Klettertouren nutzt Magar zusätzlich verkürzte Prothesen, sogenannte Stubbies, die besonderen Halt geben.

#IAmAMountain

„Diese Beinprothesen haben mein Leben verändert, sie haben mich unabhängig gemacht und mir Hoffnung gegeben. Und vor allem haben sie mir die Möglichkeit gegeben, Geschichte zu schreiben und das zu erreichen, was ich als DAK-Amputierter nie für möglich gehalten habe“, schreibt Magar am 31. Mai auf Instagram. Und weiter: „Ein Knie zu haben, das sich biegt, ist unglaublich. Ich werde ewig dankbar sein für die Innovation und den Einfallsreichtum Ihres Unternehmens, um das Leben von Menschen mit Behinderungen zu verändern.“
Im Herbst 2023 besuchte Hari Budha Magar den Ottobock Standort in Wien. Dort werden die Genium X3-Kniegelenke entwickelt und hergestellt. Die „Geburtsstätte“ seiner Prothesen zu sehen und die Menschen dahinter kennenzulernen, waren für ihn beeindruckende Momente. Der Bergsteiger tauschte sich mit Produktmanagern, Mitarbeitenden von Forschung & Entwicklung sowie Orthopädietechnikerinnen und -technikern über seine Erfahrungen mit den Prothesen aus. Gemeinsam planten sie die nächsten Schritte der Kooperation. 

Mit seiner inspirierenden Geschichte ist Hari Budha Magar jetzt Teil der ersten globalen Markenkampagne von Ottobock #IAmAMountain. Die Kampagne basiert auf authentischem User-Generated-Content von 26 Anwenderinnen und Anwendern von Ottobock-Prothesen, -Orthesen und -Rollstühlen aus 14 Ländern. „Wir freuen uns sehr über die Partnerschaft mit Hari und seinem Team. Sie haben eine klare Vision und sind sehr authentisch“, sagt Nicole von Bergen, Head of Global Customer Programs & Partnerships bei Ottobock. „Uns treibt die gemeinsame Mission an, Menschen mit Behinderungen zu befähigen, ihr Leben aktiv zu gestalten. Ottobock ist stolz, Hari auf jeden seiner Gipfel zu begleiten. Es geht darum, Aufmerksamkeit zu generieren und die Welt von morgen positiv zu verändern.“ 

Drei von sieben Gipfeln hat Magar schon. Den Mount Everest (8.849 m), den Kibo/Kilimandscharo (5.895 m) und den Mont Blanc (4.810 m). Diesen bestieg er anstelle des Elbrus im Kaukasus, der aufgrund des Krieges zwischen der Ukraine und Russland zurzeit nicht zugänglich ist. Für 2024 und 2025 hat er sich Expeditionen zu den vier noch fehlenden Gipfeln der „Seven Summits“ vorgenommen: Denali (6.190 m) in Nordamerika, Aconcagua (6.960 m) in Südamerika, Puncak Jaya (4.884 m) in Ozeanien und Mount Vinson (4.892 m) in der Antarktis – Ottobock begleitet ihn dabei.