Die Fähigkeit von Unternehmen, sich an unvorhergesehene Ereignisse anzupassen, Krisen zu bewältigen und sich gleichzeitig auf Innovation und Nachhaltigkeit zu konzentrieren, spielt eine wichtige Rolle für ihren langfristigen Erfolg. Stürme hat es immer schon gegeben, und eine resiliente Organisation ist in der Lage, sich den Veränderungen in ihrem Umfeld anzupassen und gestärkt aus Krisen hervorzugehen. Neu hinzugekommen ist für die Pharmabranche die Notwendigkeit, sich auch nach außen mit den firmeneigenen Werten stärker zu präsentieren und Haltung zu zeigen. Einer der wichtigsten Kanäle dafür ist Social Media. Doch gerade hier lauern Gefahren, wie die gefürchteten Shitstorms, die Unternehmen deutlichen Schaden zufügen können.

Resilienz als Zukunftskraft

In einer Welt der permanenten und unvorhersehbaren Veränderungen gibt es jedoch keine Möglichkeit, solche Ereignisse auszuschließen. Sich aus dem Internet fernzuhalten und sich nicht zu positionieren, ist allerdings auch keine Lösung, denn sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Patientinnen und Patienten erwarten das inzwischen von der Pharmabranche. Diese Entwicklung hat jedoch auch eine positive Seite, findet Sarah Mooslechner, Head of Strategy & Social Media und Management Board Member bei The&Partnership. Denn noch nie gab es so viel Spielraum, die Gesellschaft mitzugestalten. „Unternehmen sind heute in der Pflicht, positiven Einfluss auf gesellschaftliche Problemfelder zu nehmen“, fasst sie zusammen. Dabei werden Firmen und Konzerne als besonders handlungsfähig wahrgenommen, weil sie viel kurzfristigere Entscheidungen treffen und umsetzen können als beispielsweise die Politik.

Eine zunehmende Zahl von Menschen trifft Kaufentscheidungen aufgrund von Referenzpunkten für Werte, Haltungen und kollektive Ideen. Die Marketing-Expertin führt als Beispiel den Kauf eines Elektroautos an. „Das ist oft eine haltungsbasierte Entscheidung für eine nachhaltigere Antriebsart.“ Entscheidet sich eine Person bewusst für den Kauf, kann dies sogar die Markenloyalität beeinflussen. Was bedeutet das für Unternehmen? Sie bewegen sich in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Gewinnorientierung und Sinnorientierung. Sich nur auf ein Element zu konzentrieren, kann dem Unternehmenserfolg schaden.

„Was Firmen brauchen, nenne ich gerne zukunftsmutige Unsicherheitskompetenz“, sagt Mooslechner. „Resilienz ist nicht einfach nur, ein dickes Fell zu haben, sondern eine systemrelevante Lernkompetenz an den Tag zu legen und offen gegenüber Veränderungen zu sein.“ Das dürfte für die eher konservative Pharmabranche nicht einfach sein. Dennoch sieht sie sich mit einer drängender werdenden Notwendigkeit zur Anpassung konfrontiert, denn die Veränderungen haben grundlegende Folgen. So wird es künftig keine Trennung mehr zwischen einem Unternehmen und seinen Produkten geben, ist sich Mooslechner sicher. Das Verhalten eines Pharmaunternehmens hat demnach unmittelbaren Einfluss auf die Wahrnehmung seiner Produkte.

Weg vom Monolog, hin zum Dialog

Einen weiteren Trend, den Mooslechner ausmacht: Resiliente Marken lösen die Grenze zwischen Unternehmen und Community auf. In der Folge bedeutet das, dass sich die Firmen weg von einem monologisierenden hin zu einem dialogischen Austausch mit ihrer Zielgruppe bewegen. Dabei besteht immer die Gefahr, sich Kritik auszusetzen, doch auf der anderen Seite kann der Austausch wichtige und gewinnbringende Einsichten hervorbringen. Mooslechner rät Unternehmen, sich damit abzufinden, dass es immer Menschen geben wird, die sich durch das, was ein Unternehmen oder auch eine Pharmafirma macht, angegriffen fühlen. „Haters gonna hate“, resümiert sie. Sicherheit ist eine Illusion, und wer Haltung kommunizieren will, muss sich manchmal in unruhigere Fahrwasser begeben.

Die Kommunikationsexpertin widerspricht außerdem dem Glauben, dass Haltungskampagnen nicht verkaufen. Im Gegenteil: Der komplexe digitale Raum fordert geradezu sinnvoll gedachte Customer Journeys und Kampagnen-Architekturen, die Awareness und Haltung mit Conversion verbinden. Als Beispiel verweist Mooslechner auf eine Kampagne für ein Mittel gegen bakterielle Vaginose, die ihre Agentur umgesetzt hat. The&Partnership hatte dazu eine Studie durchgeführt, die aufzeigte, dass das Thema bei Betroffenen entweder gar nicht bekannt oder mit einem hohen Schamgefühl verbunden ist. Daraufhin wurde eine Awareness-Kampagne aufgesetzt, die mit einer Conversion-Kampagne gekoppelt wurde. „Wir haben sehr viel positives Feedback erhalten, aber auch Werte vermittelt und Haltung bewiesen. Außerdem konnten wir online einen Sales-Uplift von 54 Prozent und in den Stores um acht Prozent erzielen“, berichtet Mooslechner.

Ihr letzter Rat: Practise what you preach. „Digital Natives sind heute ungeheuer gut darin, zu erkennen, ob ihnen etwas vorgemacht wird“, warnt sie. Eine ehrliche Kommunikation, die konsequent und authentisch ist und mit dem Handeln eines Pharmaunternehmens übereinstimmt, ist also der Schlüssel, um Zielgruppen zu erreichen und dem nächsten Sturm standzuhalten.