Frau Bolger-Schuth, Herr Korhummel, Sie haben bei cyperfection unterschiedliche AI-Tools in verschiedenen Arbeitsbereichen getestet. Wie bewerten Sie solche Software grundsätzlich?
Bolger-Schuth: Auf den ersten Blick ist eine Software wie ChatGPT wirklich beeindruckend. Wenn man sich aber intensiver damit beschäftigt, merkt man schnell, dass Künstliche Intelligenz auch wieder nicht so viel kann, wie man zunächst vermutete. Gerade im Bereich Kreativität stößt man schnell an Grenzen. KI-generierte Dinge sind hier vielleicht als Starting Point geeignet, aber nicht als Lösung. Insgesamt sind wir bei cyperfection aber überzeugt vom Nutzen Künstlicher Intelligenz, wenn man sie richtig einsetzt. Der Mensch muss wissen, welches Ziel er hat, um die KI effektiv einsetzen zu können. KI ist wie ein Pferd: Sie ist kräftig und cool, aber der Mensch muss die Zügel in der Hand haben.

Sehen Ihre Kunden aus der Industrie dieses Thema ähnlich positiv?
Korhummel: Es gibt natürlich auch Bedenken, die meist aus Unsicherheit resultieren – wie bei allem Neuen. Mein Eindruck ist aber, dass die überwiegende Zahl meiner Gesprächspartner eher positiv eingestellt ist. Erstens sind die meisten Menschen neugierig, und zweitens erkennen sie, dass da etwas kommt, dass zwar noch nicht heute, aber morgen oder übermorgen Teil ihrer Arbeitsprozesse werden kann. Dagegen kann man sich natürlich wehren, wie gegen jede Veränderung. Aber für mich – und so sehen das wohl auch viele andere – haben wir einfach einen neuen Kollegen, einen Co-Creator. In Co-Creation-Prozesse binden wir bereits Betroffene und Healthcare Professionals mit ein – warum nicht auch eine Künstliche Intelligenz? Sie kann als kreatives Sprungbrett sehr hilfreich sein.

In welchen Bereichen oder bei welchen Aufgaben nutzen Sie KI-Tools bei cyperfection? Und wofür sind sie nicht geeignet?
Bolger-Schuth: Künstliche Intelligenz ist nicht kreativ. Eine KI liefert keine guten Ideen, aber kann mir durchaus sagen, warum meine Idee nicht gut ist, und was ich tun könnte, damit sie besser wird. ChatGPT ist daher für mich vor allem ein großartiger Sparringspartner, um einen anderen Blickwinkel auf Dinge zu bekommen. Auch Wettbewerbsanalysen funktionieren damit gut. ChatGPT ist aber kein guter Schreiber und weiß auch nicht, wie man eine Story erzählen muss, damit sie fesselnd ist. Solche Tools verfügen weder über menschliche Erfahrungen, aus denen sie lernen können, noch verstehen sie, wie Menschen zum Beispiel Krankheiten erleben. Empathie ist aber gerade in der Gesundheitskommunikation unverzichtbar.
Korhummel: Für einfache Themen kann man ein solches Tool sehr gut verwenden, aber man muss immer kontrollieren, verbessern und ergänzen. Für das Erstellen von Fachtexten ist es aktuell nicht geeignet. Dort geht es um so spezielle Themen, für die die KI schlicht nicht trainiert ist. Daher ist der Output inhaltlich, aber auch was Legal-Aspekte angeht, sehr häufig fehlerhaft.

Wie sieht es mit dem Einsatz von KI im Design-Bereich aus?
Bolger-Schuth: Hier arbeiten wir vor allem mit der Software Midjourney. Wenn ich mir für ein Kampagnenmotiv ein bestimmtes Setting vorstelle und Midjourney mit den entsprechenden Informationen füttere, bekomme ich eine Reihe von Bildern, die schon ganz gut sind. Nie so gut, dass ich sie tatsächlich in einer Kampagne einsetzen würde, denn das gewisse Etwas fehlt immer – da sind wir dann wieder bei der menschlichen Kreativität. Die Bilder sind aber gut genug, um unserem Kunden zu zeigen „so ungefähr stellen wir uns das vor“. Früher hätten wir das entweder selbst illustrieren oder vorshooten müssen oder hätten stundenlang im Stock-Archiv gesucht.

Was sollten Ihre Kunden beim Einsatz von KI beachten?
Korhummel: Aktuell ist es ein bisschen wie in den Anfangszeiten von Social Media. Damals gab es ein ziemliches Kanal-Wirrwarr und die Kunden haben angefangen, Dinge zu posten, die weit weg waren von der sonst praktizierten Markenkommunikation. Heute gibt es kein Unternehmen mehr, das nicht über Social-Media-Guidelines verfügt. Ich empfehle unseren Kunden dringend, auch für den Einsatz von KI Leitlinien zu definieren – schon alleine um den Mitarbeitenden Sicherheit zu geben. Das betrifft die Kommunikation mit den Zielgruppen, aber auch andere Themen: Wenn sie beispielsweise Daten aus dem Unternehmen in ein KI-Tool einspeisen, dann trainieren sie es ja damit. Das kann sehr brisant sein und es muss deshalb genau überlegt werden, mit welchen Themen ich das tun darf. Langfristig wird die Lösung wohl sein, dass viele Unternehmen eine eigene KI betreiben. Dann sind die Daten geschützt und sie können ganz anders mit dem Tool umgehen.

Bei welchen Themen kann KI den Healthcare-Unternehmen helfen?
Korhummel: Wo sie sehr hilfreich und eine große Arbeitserleichterung sein kann, ist zum Beispiel die Auswertung der Reportings des Außendienstes. Wenn ein Unternehmen 200 Mitarbeitende im Außendienst hat und jeder fünf Ärzte pro Tag besucht, dann kann man sich vorstellen, welche Menge an Informationen fließt. Hier kann ich die KI nutzen, um den qualitativen Input zu analysieren und dann in der AD-Kommunikation besser nachsteuern.
Bolger-Schuth: Wir stellen fest, dass gerade den jüngeren Projektverantwortlichen in den Pharmaunternehmen oft die Erfahrung fehlt, kreative Briefings zu verfassen und an alle relevanten Konsumentengruppen zu denken, die sie erreichen wollen. Viele tun sich auch schwer damit, das Problem oder die Herausforderung zu beschreiben, und dann kommen wir und fragen ihnen Löcher in den Bauch. Da kann eine KI dem Marketer schon helfen, ein gutes schriftliches Briefing zu erstellen – und uns als Agentur damit auch.

Wir stehen beim Thema Künstliche Intelligenz erst am Anfang. Wird KI Sie als Agentur irgendwann überflüssig machen?
Korhummel: Ich denke nicht, dass wir als Agentur durch solche Tools in Frage gestellt sind und die Kunden übermorgen alles selbst machen. In der Regel sind unsere Ansprechpartner auf Kundenseite ja auch keine Kreativen, sondern Projektmanager und Organisatoren. Um Input zu generieren oder für eine Art Sparring sind die Tools gut, aber ich erwarte in absehbarer Zeit keinen Output in Form einer wirklich verwertbaren Lösung – in der Healthcare-Kommunikation mit ihren speziellen Anforderungen schon gar nicht.
Bolger-Schuth: Unsere Kunden kennen ihre Produkte zwar sehr gut, aber sie kreativ zu verpacken, das können wir wesentlich besser – nun eben auch mit Unterstützung durch KI. Kommunikationsdesign braucht immer ein Warum und einen Purpose. Mit KI lässt sich vielleicht etwas Lautes, Knalliges erstellen, aber wir wollen immer ein Ergebnis, das Aufmerksamkeit schafft und den Menschen hilft. Unser Ziel ist, dass unsere Kampagnen etwas mit den Menschen machen – und dieses Ziel erreicht man nur mit menschlicher Krea-tivität und Empathie.

Frau Bolger-Schuth, Herr Korhummel, vielen Dank für das Gespräch.