„Wir setzen KI-Tools bei einem fast täglich breiter werdenden Spektrum an Aufgaben ein – unterstützend bei der kreativen Ideenentwicklung, effizienzsteigernd bei administrativen Prozessen, für visuelle Kreation, Audio und vielem mehr“, berichtet Julian Schmittgall, CTO bei Schmittgall Health. Als „Turbolader“ funktioniere KI nicht mehr nur bei der Bildgenerierung und Bildbearbeitung; richtig „gepromptet“ werde zum Beispiel ChatGPT zum Sparringspartner, mit dem man im aktiven Dialog entlang bekannter Kreativtechniken „brainstormed“. „Supernützlich“ sei KI aber auch bei alltäglichen administrativen Aufgaben – angefangen bei Übersetzungen über unbeliebte Fleißaufgaben wie der Erstellung von Gesprächsprotokollen bis hin zur Beurteilung juristischer Fragestellungen oder der Überarbeitung von Vertragsdokumenten. 

In engen Leitplanken geführt sei die Künstliche Intelligenz bereits heute so etwas wie eine perfekte Assistentin. „Um im Sparring mit dieser Superassistentin optimale Ergebnisse zu produzieren, braucht es aber natürlich auch künftig sehr viel Fachkompetenz von Menschen mit kreativem, kritischem und hellwachem Verstand“, betont Schmittgall. KI wird seiner Überzeugung nach „schon bald in jede Kapillare unseres (Geschäfts-)Lebens vordringen“ und die Pharmabranche weit über das Marketing hinaus beeinflussen – beispielhaft nennt er die Entwicklung neuartiger Proteinstrukturen. Angst sollte man davor jedenfalls nicht haben, meint Schmittgall, „denn jede Veränderung bringt spannende Chancen, macht uns effizienter und hilft, wenn man sich darauf einlässt“. 

■ Brainstormer & fleißiger Helfer

Bei der Peix Health Group nutzt man die ständig neuen Möglichkeiten von KI bei der Ideenentwicklung, in der Ausarbeitung und auch in der Umsetzung. „In anderen Bereichen wie Medical ist KI deutlich schwieriger einzusetzen, weil die Unschärfe von KI-Tools, die sie für Kreation gerade interessant machen, im Augenblick noch komplette Show-Stopper sind“, sagt Clemens Grambow, Team Lead Kreation. Hier sei die menschliche Fachexpertise bislang klar überlegen.

Selinka/Schmitz nutzt und testet die komplette Bandbreite an KI-Tools, besonders stark würden sie in der frühen Phase der Schaffensprozesse eingesetzt, sagt Management Supervisor David Marso. Darüber hinaus komme KI auch zur Optimierung der Werbewirkung zum Einsatz. Neben den „Klassikern“ wie ChatGPT und Midjourney kämen dafür spezialisierte KI-basierte Tools zur Emotionsanalyse und In-Field-Team-Schulung zum Einsatz, mit denen man tiefere Insights gewinnen und die Kommunikation immer individueller gestalten könne. „KI bietet uns hier in allen Bereichen ein enormes Start-Kapital, um unsere eigentlichen kreativen Stärken voll ausschöpfen zu können“, so Marso.

In ganz unterschiedlichen Bereichen setzt auch Ralf Pfau, Creative Director bei Spirit Link, KI-Tools ein: „An erster und wichtigster Stelle bei jeglicher Art von Wissenssammlung, wie etwa Wettbewerbsanalysen, dem Erschließen spezieller Krankheitsbilder oder der Recherche nach Branchen-Trends und -Themen. Mit KI gelingen diese Schritte schnell und effektiv.“ Bei kreativen Prozessen sei ein solches Tool wie ein zusätzlicher Brainstormer. „Vier Leute sitzen am Tisch, außerdem noch ChatGPT und bringt Ideen ein, wie alle anderen auch. Das funktioniert aber auch gut, wenn man alleine arbeitet, quasi als Sparringspartner“, so Pfau. Sein Tipp: „Unbedingt mal die Sprachinteraktion in der ChatGPT-App ausprobieren und sich mit dem Tool unterhalten, als ob’s ein Kollege wäre.“ Man könne dabei tiefergehende Fragen stellen, nachbohren, und sich sogar eine Zusammenfassung des Gesprächs geben lassen. Aber: „Bei der finalen Bewertung dieser Ergebnisse sollte ChatGPT besser ruhig sein“, rät Pfau. Und auch in der Produktion von finalen Ergebnissen überzeuge AI noch nicht: Die Detailgenauigkeit und Qualität der Ergebnisse sei für die Healthcare-Branche weder konstant noch korrekt genug. „Wenn zum Beispiel chirurgische Instrumente wie Gemüseschäler aussehen, ist das Bild einfach nicht verwendbar. Oder wenn es um wissenschaftliche Referenzierung geht, dann ist ebenfalls nicht an KI zu denken. Sie kann die Produktion unterstützen, aber nicht ersetzen.“

 

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V.l.n.r.: Julian Schmittgall (CTO bei Schmittgall Health), Ralf Pfau (Creative Director bei Spirit Link), Clemens Grambow (Team Lead Kreation bei der Peix Health Group), David Marso (Management Supervisor bei Selinka/Schmitz), Robert Uliczka (Creative Director Art bei Selinka/Schmitz), Tino Niggemeier (Managing Partner bei xeomed).


KI spiele bei xeomed eine „Schlüsselrolle“, sagt Managing Partner Tino Niggemeier. Sie komme besonders im kreativen Prozess und bei der Ideenfindung zum Einsatz, um frischen und zielgerichteten Content zu generieren. Sie unterstütze aber auch in der Social-Media-Kommunikation und beim Erstellen von Newslettern. Für Präsentationen ermögliche KI die Anfertigung von Bildern, die genau auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt seien, und sorge für ein kohärentes visuelles Thema. Aber auch im operativen täglichen Business nutze man die Potenziale zur Erleichterung von Arbeitsprozessen, zum Beispiel bei der Erstellung von Stellenausschreibungen, für Textzusammenfassungen oder auch Kurzbeschreibungen der Agenturleistungen – „Dinge, die man schnell braucht und nach einem einmaligen Feinschliff mit gutem Gewissen teilen kann“, so Niggemeier.

Ein Gamechanger?

Zuletzt ging „Sora“ durch die Medien, ein KI-Tool von OpenAI zur Erstellung von Bewegtbildern. Für Tino Niggemeier sind die Potenziale eines solchen Tools „enorm“ – insbesondere hinsichtlich der Kostenersparnis. „Für Plattformen wie Social Media könnte es zukünftig ein Gamechanger sein, indem es die Erstellung von Videoinhalten vereinfacht. Allerdings ist die Qualität momentan noch nicht auf dem Niveau, welches wir für uns erheben.“

Auch Robert Uliczka, Creative Director Art bei Selinka/Schmitz, erkennt großes Potenzial bei Tools wie „Sora“– „besonders für die Gesundheitskommunikation, bei der wir komplexe, erklärungsbedürftige Inhalte kreativ an unsere Hauptzielgruppe, die Ärzte, vermitteln“. Bewegtbild-KI-Tools würden zukünftig immer mehr an Raum gewinnen und passgenau auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen zugeschnittene Lösungen liefern. „Sora“ & Co. seien der nächste Schritt, Kommunikation extrem zu individualisieren und damit mehr Impact bei skalierbarem Aufwand zu erreichen, ergänzt David Marso. „Die Möglichkeiten, personalisierte Welten zu schaffen und komplexe Zusammenhänge darzustellen, wird eine neue Dimension erreichen.“

„Sora“ habe ihn komplett überrascht, bekennt Clemens Grambow. Natürlich habe man gewusst, dass eine solche Anwendung kommen würde, aber zum jetzigen Zeitpunkt und mit dieser Geschwindigkeit habe man sie noch nicht erwartet. „Die Ergebnisse sind schon sehr beeindruckend, auch wenn natürlich damit noch keine TV-Spots produziert werden können. Aber es zeigt, was in Zukunft möglich sein wird und dass wir hier einen ‚AOL-CD-Moment‘ erleben können.“

Bereicherung und Effizienz

Die Nutzung von KI-Tools hat für xeomed zwei wesentliche Vorteile: inhaltliche Bereicherung und Effizienzsteigerung. „Sie dienen uns quasi als unerschöpfliche Quelle für Ideengenerierung – das gefürchtete ‚weiße Blatt Papier‘ gehört der Vergangenheit an“, freut sich Niggemeier. Zudem ermöglichten sie eine erhebliche Zeitersparnis bei zeitfressenden und teilweise auch unbeliebten Aufgaben. „Damit können wir unsere Ressourcen auf kreativere und strategisch wichtigere Aufgaben konzentrieren.“

Für Ralf Pfau ergeben sich zwei inhaltliche Szenarien, in denen KI-Tools ihre Stärken ausspielen können: Zum einen der Bereich Strategie und Konzeption, bei dem KI die Effizienz steigert, zum Beispiel um große Mengen an Informationen aufzubereiten oder Wettbewerbsinformationen schnell zu vergleichen. Weitere Vorteile seien die vielen Optionen zur Visualisierung sowie das schnelle Herstellen von Prototypen. Zum anderen im Bereich Produktion, bei dem ebenfalls die Effizienz wachse. Beispielhaft nennt Pfau bessere Spellchecks und Sprachkorrekturen auch ohne Qualitätsmanagement, das Generieren vieler ähnlicher Varianten von Key-Visuals oder die Audio-Generierung von Sprache und Sound.

„KI-Tools erweitern unsere Möglichkeiten, mit Ideen zu experimentieren und Inhalte effizienter zu personalisieren, und sie helfen dabei, Produktionskosten zu reduzieren“, sagt David Marso. Für Robert Uliczka stellen die Steigerung der Quantität, wie Effizienz und Zeitersparnis, einen wichtigen Aspekt dar, „um zum Mittelpunkt unserer Arbeit zu gelangen, nämlich durch KI schneller das für unsere Kunden angestrebte Qualitätslevel zu erreichen. KI hilft uns, die Zeit besser nutzen und unsere kreativen Stärken voll ausleben zu können“.

Clemens Grambow berichtet, Peix habe kürzlich für einen großen Kunden eine Kampagne für ein onkologisches Produkt entwickelt: „Mithilfe einer KI ist es uns gelungen, ein winziges Element des menschlichen Körpers auf völlig neue Art und Weise zu visualisieren und zu animieren. Frappierend war dabei: Wir hatten keine Zeit gewonnen, da wir für das finale Bild aus über 1.000 KI-generierten Bildern am Ende doch passgenau und mit unserem kreativen Anspruch wählen und nachschärfen mussten.“ Als kreativer Partner von Industriekunden müsse man gerade auf diesen Aspekt immer wieder besonders hinweisen: „Der reine Effizienzgewinn ist nicht das primäre Ziel, sondern die Möglichkeiten, mit KI-Tools ein völlig neues Betriebssystem in der Marketing- und Kommunikationsarbeit zu etablieren.“

Etwas Entscheidendes fehlt

So inspirierend und hilfreich KI-Tools in der Arbeit von Agenturen sein können, ein Manko bleibt: „Obwohl Large Language Modelle wie ChatGPT ein breites Wissensspektrum abdecken, fehlt ihnen das Erleben der realen Welt. Ihre Inhalte neigen dazu, generisch und uninspiriert zu wirken, da echte menschliche Emotionen und Erfahrungen fehlen“, erklärt Tino Niggemeier. Zudem sei die über Jahre aufgebaute Fachkompetenz einer Person gerade bei der wissenschaftlichen und medizinischen Content-Erstellung unverzichtbar. Um sich deutlich von der Konkurrenz abzuheben, seien daher erfahrene Content Creators, die über die entsprechenden Kenntnisse der Regularien und Limitierungen verfügen, essenziell. „Wir sind überzeugt, dass jede und jeder mit der Unterstützung einer KI zwar einen ersten soliden Content-Entwurf erstellen kann, dieser aber den regulatorischen Anforderungen nicht ohne die verlässliche und qualifizierte ‚Brille‘, wie sie unsere Spezialistinnen und Spezialisten tragen, gerecht werden kann.“

„Die KI kann auf Bestehendes zurückgreifen, überraschend Neues kann nur der Mensch schaffen“, gibt David Marso zu bedenken. Emotionale Intelligenz, ein tiefergreifendes Verständnis für relevante Kontexte und Spontanität seien menschliche Domänen. „Unsere Kreativität geht über die Mustererkennung und -generierung hinaus. Wenn wir menschliche und künstliche Intelligenz sinnvoll zusammenbringen, gewinnt die kommunikative Qualität.“ Robert Uliczka gibt zudem zu bedenken, dass eine KI Ergebnisse nicht kritisiere oder in Frage stelle. „Ob die Ergebnisse zu unseren Werten, Haltung und Zielen passen, kann immer nur der Mensch entscheiden. Eine der Aufgaben unserer Zeit wird daher sein, die Ergebnisse mit unseren Erfahrungen und kreativen Denke abzugleichen und es wird vermehrt darum gehen, ‚richtig‘ mit der KI zu kommunizieren.“

Auf das Prompten bezieht sich auch Ralf Pfau – dies sei „eine zutiefst menschliche Kunst“. Denn es gehe darum, die richtigen Fragen zu stellen, um dann Antworten zu bekommen. Sein Fazit nach vielen internen Testdurchläufen: „Die kreative Schaffenshöhe der KI bleibt deutlich hinter der menschlichen Dimension zurück.“ Besispielsweise Creative Briefs seien zwar inhaltlich ganz passabel gewesen, hätten aber nicht den springenden Punkt oder die motivierende „Single Mind Proposition“ abbilden können – „also genau die kreativen Aspekte, die uns auszeichnen“. 

KI sei zwar Inspirationsquelle und manchmal sogar ein „Sparringspartner“ und vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, welche Rolle Agenturen in Zukunft zukommen wird. Für Peix gelte, so Clemens Grambow: „Überzeugende Ideen brauchen kreative Köpfe. Der Mensch bleibt der entscheidende Impulsgeber.“