Herr Hanke, warum haben Sie sich als Agentur um die Employer-Branding-Kampagne der Charité beworben? Es gab ja schon eine Verbindung durch Ihr Engagement im Vorfeld, aber was war konkret der Punkt, bei dem Sie beschlossen: „Da pitchen wir mit!“?
Hanke:
Wir haben initial für die Charité im Jahr 2022 Persona-Workshops gemacht und dabei unterstützt, Struktur, Inhalte und Formate der Unternehmens-Website auf bestimmte Zielgruppen hin anzupassen. Als der große Employer Branding Pitch anstand, haben wir uns beworben, weil die Zusammenarbeit beim ersten Projekt äußerst partnerschaftlich war und die inhaltlichen Aspekte der Herausforderung mit dieser großen, diversen Organisation und ihren komplexen Zielgruppen aus Ärzten und Ärztinnen, Pflegenden, in der Wissenschaft Tätigen oder auch Verwaltungspersonal, für uns sehr spannend klang.

Darüber hinaus barg die Gelegenheit des Branding-Projektes die Aussicht auf ein aufregendes Abenteuer. Als Beratung wollen wir Unternehmen oder Einzelpersonen mithilfe von Kommunikation bei Wandel und Transformationen unterstützen und dazu befähigen, diesen Prozess erfolgreich und nachhaltig selbst mitzugestalten.

Diesen anspruchsvollen Wandel bei der Charité begleiten zu dürfen und mit verantwortlich dafür zu sein, die gesundheitliche Versorgung auf diesem hohen Niveau sicherzustellen, empfanden wir als gewinnbringende und willkommene Herausforderung.

Wie sind Sie nach dem Pitchgewinn das Projekt strategisch angegangen?
Hanke: Dieses Projekt war ein idealtypisches Beispiel dafür, wie eine Beratung von außen ins Spiel kommt, wenn die internen Ansprechpartner bereits tief in einem Thema stecken. Die Zusammenarbeit wurde gesucht, um das Projekt voranzutreiben und die punktuell nötige Kapazität, die man nicht dauerhaft benötigt, für eine Phase von etwa einem dreiviertel Jahr bereitzustellen.

Wir sind mit einer ausführlichen Analysephase gestartet, was sehr motivierend war. Das Charité-Team, also unsere Ansprechpartner, legte großen Wert darauf, sicherzustellen, dass die Mitarbeiter, die in verschiedenen Abteilungen arbeiteten und stark unter Druck standen, für strukturierte Interviews zur Verfügung standen. Die Phase dauerte drei Monate und umfasste die Entwicklung strukturierter Fragebögen, die Durchführung der Interviews, Auswertung und Gewichtung der Ergebnisse, und schließlich die Entwicklung der Employer Value Proposition (EVP), also des Kerns der Arbeitgebermarke. Dieser Prozess war inhaltlich und auch für die interne Akzeptanz wichtig, da von der Unternehmensleitung bis zu den unterschiedlichsten Mitarbeitenden sehr viele Menschen eingebunden waren.

Führen Sie diese Offenheit auf das Unternehmen an sich zurück oder bringen Mitarbeiter im Gesundheitswesen vielleicht grundsätzlich ein sehr zugewandtes Mindset mit?
Hanke: In diesem Fall glaube ich, dass der Erfolg tatsächlich auf das Charité-Team zurückzuführen ist. Krankenhäuser sind in der Regel sehr hierarchisch strukturiert, was in Bereichen wie der Gesundheitsversorgung sinnvoll ist. Denn in Situationen, in denen es um Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit geht, kann man nicht alles diskutieren und basisdemokratisch entscheiden.

Dennoch hat der Arbeitgeber im Rahmen der Employer-Branding-Kampagne dafür gesorgt, dass all diese für das System wichtigen Menschen, von der Pflegefachkraft bis zur Professorin, für die Interviews und auch weitere Meetings genügend Zeit hatten. Das ist nicht typisch und schon gar nicht selbstverständlich für ein Unternehmen oder eine Branche, in der normalerweise Effizienz und Schnelligkeit zählen. Das Marketing-Team hatte einen hohen Qualitätsanspruch an das Ergebnis – aber nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck, um mit starken, akzeptanzfähigen Inhalten den absoluten Druck des Arbeitskräftemangels zu bewältigen.

Was hat Sie besonders fasziniert?
Hanke: Das war die Ehrlichkeit, die in die Kampagne einfloss. Die Mitarbeiter-Interviews waren aufrichtig und enthielten konstruktive Kritik. Es ist ja wichtig, den Menschen da draußen mit der Kampagne die Lust zu vermitteln, in diesem Umfeld zu arbeiten, während gleichzeitig aber auch die Arbeitsrealität authentisch dargestellt und über die Herausforderungen gesprochen werden muss. Das Besondere an diesem Projekt war auch die Verbindung von Tradition und Innovation, die in vielen Krankenhäusern zu finden ist. Hier werden Spitzenmedizin und gleichzeitig zum Teil veraltete Raumbedingungen oder Prozesse erlebt, und es war entscheidend, dies in der Kampagne zu reflektieren.

Zu welchem Zeitpunkt haben Sie denn den Claim „Charité. Zukunft gestalten. Jede:r zählt.“ entwickelt?
Hanke: Der ist wirklich wie aus dem Bilderbuch entstanden: Als wir die Analysephase abgeschlossen und daraus die EVP detailliert für unterschiedliche Zielgruppen mit den speziellen Botschaften und Kanälen entwickelt hatten, gab es eine starke inhaltliche Basis und ausreichend Zeit für das Kreative hinten dran. Das gelingt auch nicht immer. Aus Zeit- oder Budgetgründen.

Herr Kraus, wann sind Sie in das Projekt eingestiegen?
Kraus: Genau hier. Die Interviews waren bereits abgeschlossen, und die Grundlagenarbeit lag vor. Wir verfolgten drei verschiedene Ansätze, die nicht nur grafisch, sondern auch inhaltlich unterschiedlich waren. In einer basisdemokratischen Abstimmung mit rund 15 Entscheidungsträgern aus allen relevanten Bereichen ist die Richtungsentscheidung dann schließlich getroffen worden. Die Wahl fiel auf den Ansatz, der die Mitarbeitenden als Teil eines größeren Ganzen darstellte. Der Fokus lag darauf, sowohl den Spaß an der Arbeit als auch den ständigen Ansporn zur Verbesserung zu betonen. Dieser Ansatz ermöglichte es uns auch, mit einer gewissen Ironie auf die Herausforderungen im Arbeitsumfeld hinzuweisen.

Und wie sind Sie an die grafische Realisierung herangegangen?
Kraus: Die Charité verfügte über eine umfangreiche Sammlung von Mitarbeiterfotos, die während der Erstellung der Karrierewebsite entstanden waren. Die haben wir „gelesen“ und passende Bilder ausgewählt, um unser Konzept zu visualisieren. Es fand eine Präsentation statt, die bewusst auf einer nicht genutzten Station der Charité anberaumt war, um ganz deutlich zu machen: „Jede:r von euch zählt. Ohne euch funktioniert der Laden nicht.“

So konnte der Spirit auch nach innen getragen werden. Bei der Präsentation stellten wir rund 50 verschiedene von uns bearbeitete Motive vor und ermöglichten so den Menschen, die an der Kampagne teilgenommen hatten, die ausgewählten Bilder zu sehen und sich in ihnen wiederzufinden.Der große Erfolg dieser Präsentation zeigte, wie stark die Mitarbeiter hinter der Kampagne standen. Dieses Gefühl der Zugehörigkeit und Beteiligung setzte sich dann weiter fort, als interne Maßnahmen unabhängig von unserer Agentur die Kampagne aufgriffen und Ideen für die interne Kommunikation entwickelten.

Gehen Sie da aus interner Sicht mit, Frau Diezemann?
Diezemann: Genau so ist es. Die Kampagne wurde zu gelebter Realität, die das Zugehörigkeits- und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkte. Darüber hinaus kam aus dem Unternehmen heraus auch die Idee des Podcasts „Jede:r zählt.“, für den wir als Moderatorin Nina Gummich gewinnen konnten, die Schauspielerin aus der ARD-Serie „Charité“ – und immer wieder spannende Gesprächspartner aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens.

Wie bewerten Sie die Employer-Branding-Kampagne aufgrund Ihrer Erfahrungen in diesem Bereich insgesamt, Herr Hanke?
Hanke: Das Projekt ist für uns ein Best Practice, weil es aufgrund seiner Dimension und Vielfalt so komplex ist und deshalb an so vielen Stellen vom Gleis hätte kippen können. Dass es ein so großer Erfolg geworden ist, liegt an den Menschen. An jedem einzelnen. Vom Vorstand bis zum Pflegehelfenden.

Und wie sieht man das bei der Charité, Frau Diezemann?
Diezemann: Wir sind sehr stolz auf diese Kampagne und ihre Wirkung nach außen sowie nach innen. Nach der strategischen Neuausrichtung der Arbeitgebermarke haben wir unser Profil mit der Employer-Branding-Kampagne noch einmal schärfen und Menschen von uns begeistern können. Und diese Begeisterung, da kann ich Daniel und Marcus nur zustimmen, wird getragen von den Mitarbeitenden. Die Offenheit und auch das Selbstbewusstsein, sich in Kurzvideos als Plakat- und Instagram-Testimonial oder im 360°-Rundgang zu präsentieren, zeugt von einer großen Identifikation mit dem Unternehmen – und gibt uns die Möglichkeit mit beeindruckender Authentizität nach außen zu kommunizieren und neue Mitarbeitende zu binden.