Unter den Smartphone-Nutzern in Deutschland (85% der Bevölkerung) stieg das digitale Trackingverhalten Apps zur Messung von alltäglichen und medizinisch relevanten Vitalwerten laut Umfrage von 18% im Jahr 2021 auf 23% im Jahr 2023. Acht von zehn Nutzern setzen dabei auf Lösungen von internationalen Big-Tech- oder Consumer-Electronics-Anbietern, was bedeutet, dass die Vitalendaten von rund 12 Millionen Deutschen auf Servern in den USA und Südkorea gespeichert sind.
Erstmals wurde ungestützt nach der am häufigsten verwendeten app- oder web-basierten Gesundheitsanwendung gefragt. Auf Basis von 2.739 Nennungen führen dabei globale Big-Tech- und Social-Media-Plattformen wie Google, YouTube, Apple Health, Samsung, Instagram, Facebook und TikTok mit 45% der Nennungen. Auf Platz 2 befinden sich die Gesundheitsportale deutscher Medienhäuser (24%), gefolgt von Apps und Webseiten von Krankenkassen (14%) sowie Apotheken (11%). Dabei ist die Zielgruppe der unter 39-Jährigen hier besonders aktiv.
Konkrete Digital Health-Anwendungen wie strukturierte Gesundheitskurse verzeichnen nach einem starken Rückgang nach dem Lockdown eine Stagnation, während die Online-Videosprechstunde leicht von 17% auf 14% zurückgeht. Die Online-Psychotherapie brach weniger stark ein (von 12% auf 11%) und wurde von knapp jedem zweiten Anwender sogar im letzten Monat zuletzt verwendet.
Vier von zehn deutschen Onlinern (90% der Bevölkerung) nutzen zumindest gelegentlich eine App ihrer Krankenkasse oder Krankenversicherung, wobei jüngere Altersgruppen dies häufiger tun als ältere.
Es gebe auch deutliche Bewegungen im Bereich digitaler Versorgungsszenarien, wie beispielsweise im Vertrieb von Patienten-Apps über Arztpraxen. Der Anteil der Personen, die eine App von ihrer Arztpraxis erhalten haben, stieg innerhalb von zwei Jahren von 6% auf 12%. Analysiert man dieses Subsegment genauer wird deutlich: Es handele sich dabei eher weniger um digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach dem Digitale Versorgung Gesetz, sondern mehrheitlich um Apps für das verordnete Medizingerät (bspw. für Blutdruck, Blutzucker u. ä.) oder Apps im Kontext Medikamenteneinnahme.
Die vermehrte Nutzung von Big-Tech- und Social-Media-Plattformen für Gesundheitsthemen, insbesondere durch jüngere Bevölkerungsschichten, berge Herausforderungen für eine nachhaltige und national steuerbare Gesundheitskompetenz sowie für datenbasierte Prävention und Therapie. Insbesondere führende Social-Media-Plattformen entwickelten sich derzeit zu einem politik- und sachfreien Raum, in dem infotainment-ähnliche Kurzvideos verschiedener Absender neben tendenziell eher extremen Agenda Setting-Akteuren zunehmend dominierten.
Prof. Dr. Klaus Hurrelmann von der Hertie School in Berlin kommentiert: "Der EPatient Survey zeigt besorgniserregende Ergebnisse: Durch die Verzögerung der digitalen Transformation im deutschen Gesundheitssystem setzen sich internationale Internetkonzerne mit ihrem werbe- und datengetriebenen Angebot immer weiter durch, was die Qualität der Kommunikation über Gesundheit und Krankheit massiv beeinträchtigt."
Dr. Alexander Schachinger, Leiter der Studie EPatient Survey, fasst zusammen: „Bislang bleibt einer der deutlichsten globalen und nationalen Digital Health-Innovationspfade, der auf datenbasierter Prävention sowohl für individuelle als auch kollektive Ansätze basiert, den globalen Big-Tech-Playern vorbehalten.“
Der EPatient Survey rekrutiert seit 2010 jährlich im Schnitt 6.000 Teilnehmer aus dem führenden Kantar-Konsumentenpanel in Deutschland. Die Rekrutierungsquote entspricht dabei der Sozial-, Bildungs- und Regionalstruktur der deutschen Online-Bevölkerung (90%).