Dass die Anzahl der stationären Apotheken zurückgeht, könne als Konsolidierung im Markt begriffen werden, erklärt Dr. Arno Wilhelm, General Manager von Intermedix Deutschland. „Stark positionierte Apotheken machen nicht weniger, sondern in Teilen mehr Umsatz als früher. Davon abgesehen bleiben stationäre Apotheken der mit Abstand wichtigste Absatzkanal für OTC-Präparate.“ Wilhelms Erfahrung nach profitieren Apotheken insbesondere von allen absatzfördernden Aktionen am Point-of-Sale, wie Apotheken-TV, Schulungen, gezielten Informationen für das Beratungsgespräch und zum Cross-Selling sowie In-Store-Rabattaktionen. Zudem natürlich von allen Maßnahmen, die die Shopper-Frequenz am POS erhöhten, so der Intermedix-Chef.
„Gerade in einem Umfeld, das von Fachkräftemangel, wirtschaftlichem Druck und wachsendem Wettbewerb geprägt ist, gewinnt gezieltes Apothekenmarketing an strategischer Bedeutung“, sagt Florian Rupp, Geschäftsführer der MarkomGroup. Für ihn ist die Apotheke vor Ort weit mehr als eine Abgabestelle für Medikamente – „sie ist ein Ort der Gesundheitskommunikation, der Beratung und des Vertrauens“. Das Marketing am POS unterstütze Apotheken dabei, ihre Kompetenz und ihre Kundenbindung aktiv zu stärken und sichtbar zu machen. Doch welche Marketing-Unterstützung brauchen die Apotheken vor Ort am dringendsten? Florian Rupp weiß, dass Apotheken vor allem pragmatische, einfach umsetzbare Marketinglösungen brauchen, die wenig Personal binden, aber maximale Wirkung zeigen. „Dazu gehören hochwertige Kundenmagazine wie die Apotheken Umschau, die nicht nur fundierte Gesundheitsinformationen laienverständlich vermitteln und zugänglich machen, sondern auch das Vertrauen der Kund:innen erhöhen und als verlängerte Beratungsleistung dienen können“, führt der MarkomGroup-Geschäftsführer weiter aus. Ergänzt werde dies durch professionelle und individuelle POS-Materialien als 360-Grad-Lösung, die das Beratungsgespräch unterstützen und Kaufimpulse insbesondere für neue Produkte setzen.
Für Stefan Mannes, Mitgründer und Geschäftsführer der Berliner Agentur kakoii, ist Marketing inzwischen eine „Lebensversicherung für Vor-Ort-Apotheken“. Doch Frequenz komme nicht mehr von selbst, man müsse etwas dafür tun. Apotheken seien längst nicht mehr besser gestellt als zum Beispiel Lebensmittel-Discounter, ordnet Mannes die aktuelle Situation der Vor-Ort-Apotheken ein. Er nennt drei Marketinglösungen, die die Apotheken hilfreich unterstützen könnten:
1. Kompakte 360-Grad-Pakete, die Schaufensterdeko, Flyer und Instagram-Vorlagen aus einem Guss liefern. Einfache handhabbare Marketingtools.
2. Praxisnahe Schulungen, damit das Team Nutzen & Story eines Produkts pointiert rüberbringt. Der große USP der Apotheken ist die persönliche Glaubwürdigkeit. Aber das bedarf natürlich eines fundierten Produkt-Know-hows.
3. Einfache digitale Instrumente – Vorbestell-App, Terminbuchung, Newsletter-Automation –, die ohne eigene IT laufen. Viele kleine Helfer anstatt komplexer vorgeblicher AI-Game-Changer.
■ Aktuelle Trends im Apothekenmarketing
Nach Einschätzung von Florian Rupp befindet sich der Apothekenmarkt in einem tiefgreifenden Wandel. Und was bedeutet das für die aktuellen Trends im Marketing? Rupp nimmt ebenfalls wahr, dass neben klassischem POS-Marketing vor allem digitale Tools und Omnichannel-Konzepte zunehmend an Bedeutung gewinnen. „Digitale Schaufenster, interaktive Displays oder personalisierte Newsletter sind bereits heute Teil moderner Apothekenkommunikation“, erläutert Florian Rupp. „Künstliche Intelligenz spielt vor allem im Bereich der Datenanalyse, Kundenbindung und Produktempfehlung eine wachsende Rolle.“ Auch für kaufmännische Tätigkeiten wie zum Beispiel das Bestellwesen gebe es mittlerweile praktische Lösungen. Doch trotz aller technichen Möglichkeiten und Innovationen bleibe der persönliche Kontakt in der Offizin zentral – „digitale Maßnahmen sind Ergänzung, nicht Ersatz“, betont Florian Rupp.
„In der Shopper-Journey von OTC-Präparaten spielen digitale Kanäle seit Jahren eine zunehmende Rolle“, berichtet Arno Wilhelm. Insofern sei jede Apotheke gut beraten, digital vertreten zu sein, um Patienten im weiteren geografischen Umfeld erreichen zu können und ihre Zielgruppe somit auszuweiten. Nach Aussage Wilhelms wird KI insbesondere in der Beratung eine wichtigere Rolle spielen, auch in Bereichen, in denen sich Apotheken bei der Beratung schwertun, wie zum Beispiel im Bereich Personal Care.
Auch nach Einschätzung von Stefan Mannes spielt Künstliche Intelligenz zunehmend eine zentrale Rolle: „Das Thema KI ist zwar Buzzword und Wundermittel zugleich. Aber anders als gedacht.“ Wie in anderen Branchen werde KI einfach in die vorhandenen Lösungen integriert werden, sodass das Warenwirtschaftssystem schlauer wird, das Newslettersystem besser personalisiert und die Online-Ads zielgenauer ausgeliefert werden. „Das alles passiert schleichend als Effizienzsteigerung und weniger als großer Disruptionsmoment“, so Stefan Mannes.
■ Marketingunterstützung durch OTC-Unternehmen hilft – muss aber maßgeschneidert sein
Wie können OTC-Unternehmen die Apotheken im Marketing unterstützen? Nach Auffassung von Stefan Mannes wirkt der Herstellersupport nur, wenn er maßgeschneidert ist. Standard-Displays landeten oft ungeöffnet im Lager. Gefragt seien vielmehr modulare Konzepte: kleiner Aufsteller für die Stadtapotheke, großes Regal für die Center-Offizin, plus digitale Assets für Social Media. „Wir raten Pharma-Herstellern oft, sich im klassischen Retail-Bereich umzuschauen. Da gibt es einiges an Impulsen, die sich problemlos auch am Apotheken-POS umsetzen lassen. Pharma-Hersteller behindern sich da oft selbst aufgrund der übertriebenen Gewichtung der eigenen Besonderheit“, berichtet Stefan Mannes.
OTC-Hersteller spielen aus Sicht von Florian Rupp eine entscheidende Rolle, wenn es um verkaufsfördernde Maßnahmen in der Apotheke geht. „Professionell abgestimmte POS-Kampagnen, Schulungsmaterialien für Mitarbeiter, Displays oder Kundenaktionen schaffen Sichtbarkeit und fördern die Empfehlung im Beratungsgespräch und nicht zuletzt den Absatz.“ Florian Rupp misst der Relevanz von Apothekenexklusivität einen extrem hohen Stellenwert ein – „besonders bei Produkten, die erklärungsbedürftig sind oder besonderes Vertrauen erfordern“. Für ihn unterstreicht sie die Rolle der Apotheke vor Ort als kompetenter Gesundheitsdienstleister und schafft Differenzierung gegenüber Drogerien und vor allem den Versandapotheken. „In einem zunehmend austauschbaren und preisgetriebenen Produktumfeld ist Exklusivität ein starkes Argument für die Apotheke und die Kundschaft, vor allem in Kombination mit fachkundiger, individueller Beratung“, zeigt sich der MarkomGroup-Geschäftsführer überzeugt.
■ Zukünftige Rolle der Apotheke im Gesundheitssystem und Potenzial des Marketings
Stationäre Apotheken bleiben nach Einschätzung von Arno Wilhelm zentrale Player in der Gesundheitsversorgung. Um dieser Rolle jedoch gerecht werden zu können, mahnt der Intermedix-
Geschäftsführer an, dass sich die Apotheken bewegen müssten. „Die Impfversorgung als ergänzender Service zu den Arztpraxen ist ein Beispiel, bei dem Apotheken einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung leisten und diesen weiter ausbauen sollten. Weitere Felder sind zu erschließen. Davon müssen Apotheken aber natürlich finanziell profitieren.“
Darüber hinaus rechnet Wilhelm mit einer stärkeren Kollaboration von stationären Apotheken und Online-Apotheken. „Letztlich benötigen Online-Apotheken Distributionspartner in den Ballungsgebieten, um Lieferzeiten zu verkürzen, und stationäre Apotheken profitieren von einer größeren Reichweite im Online-Handel“, prognostiziert Wilhelm.
„Stationäre Apotheken werden in den nächsten Jahren eine noch größere Rolle in der Gesundheitsversorgung spielen und dies auch müssen, um das System zu entlasten“, so Rupps Blick in die Zukunft des Apothekenmarketings. Dabei seien auch der weitere Ausbau und die Ergänzung von pharmazeutischen Dienstleistungen in Apotheken – von Medikationsanalysen bis hin zu Impfungen und Gesundheitschecks – nur ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum Gedanken der „Pharmacy First“. Das Apothekenmarketing der Zukunft werde sich daher verstärkt auf Gesundheitsthemen, Prävention und pharmazeutische Dienstleistungen konzentrieren“, skizziert Florian Rupp die Offizin der Zukunft, die sich zu einer Gesundheitsplattform entwickeln werde. Für das Apothekenmarketing habe das eine neue Aufgabe zur Folge, nämlich genau diesen neuen Anspruch der Offizin „sicht- und erlebbar“ zu machen.
„In den nächsten Jahren wird die anstehende Apothekenreform die Videoberatung – und damit flexiblere Öffnungszeiten, vor allem im ländlichen Raum – alltagstauglich machen, ohne die persönliche Vor-Ort-Betreuung vollständig zu ersetzen“, beschreibt Stefan Mannes seine Vision der neuen Rolle der Apotheke in der Zukunft. Zugleich wachse das Portfolio der pharmazeutischen Dienstleistungen nur schrittweise: „Zu Blutdruckmessung und Medikationsanalyse werden voraussichtlich Diabetes- und Lipid-Checks hinzukommen, sodass Beratung und Service künftig stärker als reine Produktaktionen im Mittelpunkt stehen, aber dennoch eine Zusatz- statt Hauptumsatzquelle bleiben“, so Mannes. Am Ende seien es viele kleine Schritte, in denen die Vor-Ort-Apotheke bis 2030 ihre Rolle als erster, niedrigschwelliger Gesundheitskontaktpunkt festigt – „nicht durch spektakuläre Technik, sondern durch klare Prozesse und konsequente, patientennahe Kommunikation“, zeigt sich Stefan Mannes überzeugt.