Auf der Suche danach konnte Dolf Schäffel, Managing Director bei Digitas Pixelpark, Licht ins Dunkel bringen: „Die Plattform entwickelt sich langsamer als von vielen vorhergesagt.“ Die größte Herausforderung für Pharmaunternehmen liege in Sachen Metaverse momentan in der Frage nach dem ROI. „Und: Bei allen vielversprechenden Starts, besonders im Bereich der Medizintechnik, müssen grundlegende Themen wie der Datenschutz klar geregelt werden, um einen breiten Einsatz zu ermöglichen“, erklärt Schäffel.
Unbestritten vielversprechend seien dagegen die Chancen, die das Metaverse bietet: von einer neuen Arbeits- und Kommunikationsweise im Austausch mit Healthcare Professionals (HCP) bis hin zu neuen Formen der Betreuung von Patientinnen und Patienten. Wichtig bleibe in jedem Fall, sich mit dem Kanal auseinanderzusetzen, um die Chancen auch tatsächlich zu nutzen, mahnt Schäffel. Liegengelassen hat Digitas Pixelpark an Chancen offensichtlich selbst in 2023 nicht viel, denn als Teil der Publicis Group war man am Gewinn des globalen Pitches von Pfizer beteiligt – und erwartet eine aufregende Zeit der Zusammenarbeit.
Auch Alexandra Trudnowski, Geschäftsführerin bei MW Office, hat vom Metaverse in diesem Jahr mehr erwartet. „Die angekündigte schnelle Durchdringung der VR-Brillen, um ins Meta zu gelangen, wurde zwar prophezeit, ist bei unseren Kunden aber noch nicht angekommen. Die hohen Investitionen der Big Player wie Meta, Google und Microsoft und das große Interesse von Technologieunternehmen und Investoren zeigen mir aber, dass es ein Riesenpotenzial gibt.“ Für sie ist jedoch klar, dass Innovationen Zeit brauchen, um sich zu etablieren und dass das Metaverse in den kommenden Jahren noch von sich Reden machen wird.
Das Top-Thema KI brauche ebenfalls noch Zeit, um sich zu entwickeln, konstatiert Niklas Kurz, COO bei Wefra Life. „Es gilt aktuell technische und rechtliche Piloten zu testen und dann gezielt für Patientinnen und Patienten einzusetzen; von einem flächendeckendem Roll-out von KI ist noch keine Rede.“ Von sich Reden machte die Wefra Life Group allerdings auch, als sie im Sommer dk Dorothea Küsters Life Science GmbH übernahm und sich damit vielleicht selbst das größte Geschenk zum 90. Firmenjubiläum machte. „Ich bin Frau Küsters sehr dankbar für eine tolle Übergabe und dem Team bei dk sehr dankbar für die Offenheit und Motivation, die es gezeigt hat“, sagt Kurz.
Als Gewinner geht auch Schmittgall Health dieses Jahr vom Platz – der geschäftsführende Gesellschafter Florian Schmittgall ist stolz auf die Fülle von nationalen und international abgeräumten Preisen. Wo sich das Pharma-Marketing in 2024 hin entwickelt, schätzen Schmittgall und weitere drei Healthcare-Experten folgendermaßen ein:
Florian Schmittgall (Schmittgall Health)
Künstliche Intelligenz in Verbindung mit menschlicher Intelligenz wird weiter für Qualität und Effizienz in vielen Leistungsbereichen der Agenturen sorgen.
Innerhalb Social Media werden sich gerade im Bereich Healthcare die Disziplinen Creator und Influencer Marketing als Standard für Disease und Treatment Awareness weiter etablieren.
Digital Experience Platforms (DXP) entwickeln sich immer mehr zum neuen Standard für Web-Plattformen und lösen damit klassische Websites ab. Wir bei Schmittgall Health arbeiten hier erfolgreich mit Sitecore, Anbieter einer durchgängig modularen DXP, die speziell für die besonderen Bedürfnisse der Healthcare-Branche entwickelt wurde.
Niklas Kurz (Wefra Life Group)
Daten generieren, datenschutzkonform im Zeitalter ohne Cookies: Personalisierte User Journeys und Kommunikation benötigen Daten; Verhaltens- und Userdaten. Es gilt, diese Daten innerhalb der immer strenger werdenden Datenschutzbestimmungen zu sammeln, zu verarbeiten und auch sinnvoll zu nutzen. Dafür müssen wir Agenturen, unsere Kunden und die Verlage auf Augenhöhe und im Sinne eines gemeinsamen Interesses kooperieren.
„Well being“ und Healthcare wachsen mehr zusammen: Gerade der Nahrungsergänzungsmarkt und alles rund um Beauty wird weiterhin stark nachgefragt. Oftmals wird die Linie zwischen medizinischen Präparaten und Lifestyle-Produkten von Patient:innen nicht klar verstanden. Damit Patient:innen perspektivisch nicht frustriert werden, bedarf es einer klaren kommunikativen Abgrenzung.
Prompten: Gerade im Bereich Text und visuelle KI hat sich in 2023 viel getan. Wir haben dieses Jahr alle mit Midjourney und ChatGPT gespielt. Aber um erfolgreich mit KI-Tools zu arbeiten, muss man sie richtig briefen und mit ihnen umgehen können. In 2024 müssen wir also nun mit den Tools umgehen lernen und richtig „prompten“, um richtige Ergebnisse zu erhalten.
Programmatik im Rx-Bereich: Erfolgreiches Microtargeting für Arztzielgruppen ohne Streuverlust.
Alexandra Trudnowski (MW Office)
Das Thema eCommerce, sowohl im Bereich OTC als auch im Bereich Rx, wird bei MWO in den kommenden Jahren eine große Rolle spielen. Egal ob via Amazon, Amazon Pharmacy, Instagram oder TikTok, der Online-Verkauf von Healthcare-Produkten wird in den kommenden Jahren enorm ansteigen. Aktuell entfällt auf das Segment Gesundheit & Wellness laut HDE Onlinemonitor 2023 nur 6,3 % des Gesamtvolumens von 84,5 Mrd. Euro in Deutschland. Da steckt enormes Potenzial drin.
Weiter sehe ich einen großen Demand an Patienten-Awareness-Kampagnen (DTC-Kampagnen). Der Bereich Aufklärung von Krankheiten oder Gesundheitszuständen muss weiter wachsen. Aus eigener Erfahrung durch meine Brustkrebserkrankung in diesem Jahr weiß ich, wie wichtig es ist, online wahrheitsgemäße Informationen zu finden, die unterstützen und nicht verunsichern. Patienten brauchen Hilfe und haben das Recht auf valide Informationen auf Websites mit User Experience. Dieser Aufgabe sollte sich jedes Pharma-Unternehmen stellen.
Der dritte Schwerpunkt liegt auf Social Media, Influencer- und Corporate-Kampagnen. Diese Bereiche sind im Marketing-Mix nicht mehr wegzudenken – auch im Bereich Rx. Wir machen immer mehr Kampagnen mit TikTok und Twitch, teils auch mit sehr erfahrenen Influencern, die entweder selbst betroffene Patienten oder Caregiver sind. Im Bereich Corporate ist LinkedIn aktuell sicher die stärkste Plattform. Hier ist noch zu erwähnen, dass sich durch Social Media die Werbeformate stätig verändern. Formatvielfalt und channeloptimiertes Bewegtbild als Content on Demand sind heute ein Muss.
Dolf Schäffel (Digitas Pixelpark)
Data und Kreativität rücken näher zusammen: Die bisherige Standard der „One-for-all Experience“ wird sich schnell in Richtung einer automatisierten Personalisierung entwickeln, die Paid-, Owned- und Earned-Kanäle einschließt, auch in der HCP-Kommunikation. KI-gestützte Technologien in CRM- und CMS-Systemen treiben diese Entwicklung voran, indem sie Inhalte nicht nur dynamisch gestalten, sondern auch mit Next Best Actions anreichern, die für Nutzerrechte echte Vorteile bieten. Der Erfolg dieser personalisierten Ansätze hängt aber von der bewussten Zustimmung der Zielgruppen ab und erfordert zugleich Angebote, die über reine Marketingbotschaften hinausgehen. In diesem Kontext spielt exzellente Kreation eine entscheidende Rolle.
Patient Centricity ist weiterhin ein Erfolgsfaktor: Die stärkere Fokussierung auf Patientinnen und Patienten ist seit Jahren ein Thema und daher eigentlich kein Trend mehr. Den Blickwinkel der Betroffenen stärker in deren Versorgung zu integrieren, bleibt aber weiter die Herausforderung in der Health-care-Branche. Dabei gilt es von Seiten der betreuenden Fachgruppen auch, Lücken in der Betreuung und Lücken in der Empathie gegenüber Patienten zu schließen. Patient Reported Outcomes sind hier ein Schlüsselinstrument. Sie erlauben Patienten, aktiv ihren Behandlungsverlauf und ihre Erfahrungen mit dem betreuenden Arzt oder der betreuenden Ärztin zu teilen, was zu einer verbesserten Kommunikation und Betreuung sowie einem ganzheitlichen Blick auf die Patient Journey beiträgt.
Massive Umwälzungen durch Generative AI: Neben der Marketing- und Vertriebskommunikation nimmt KI massiven Einfluss auf die Wertschöpfung und auf den Wert von Arbeit. Diese Entwicklungen werden weiter Fahrt aufnehmen. Bei uns gibt es inzwischen Kundenanfragen, die konkretes KI-Know-how erfordern. So setzen wir aktuell eine erste Kampagne auf Basis von Midjourney für ein Medizinartikelunternehmen um. Und wir bekommen aktuell Einladungen zu Pitches, in denen die Arbeit mit KI-Tools als Bedingung vorausgesetzt wird. Uns ist wichtig, die Chancen zu nutzen und gleichzeitig aktiv die weitere Entwicklung mitzugestalten, um gesellschaftlichen und rechtlichen Ansprüchen an AI gerecht zu werden.
■ In welchem Bereich wollen Sie sich als Agentur besonders entwickeln?
… haben wir die Experten auch gefragt. „Die Krisen der jüngsten Zeit wirkten wie Prozessbeschleuniger“, erklärt daraufhin Alexandra Trudnowski. Auch wenn Digitalisierung und Omni-Channel nach „abgedroschenen Phrasen klingen“, seien sie weiterhin hochaktuell und als Beratungsunternehmen sieht man sich bei MW Office mehr denn je gefordert, für die gesamten Customer Journey relevante Services zu liefern – und das am besten aus einer Agenturhand. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, werden Omni-Channel-Strategien zukünftig gemeinsam unter dem „dentsu health“-Dach gebaut, um Kunden ganzheitlich betreuen und ihnen einen einzigen Ansprechpartner bieten zu können.
Bei Digitas Pixelpark will man sich auf die Schlüsselbereiche Content, Performance und Data konzentrieren. „Unser Ansatz, Kreativität mit datengestützten Einsichten zu verbinden, befähigt uns, Kampagnen zu entwickeln, die nicht nur effektiv sind, sondern Menschen – sowohl HCPs als auch betroffene Personen – aktiv voranbringen“, weist Schäffel den Agenturweg in das Jahr 2024.
Den Blick auf digitalen Content gerichtet, will man sich im nächsten Jahr bei Schmittgall Health weiter auf strategische und kreative Best-Leistungen für Healthcare-Unternehmen und -Marken konzentrieren, „die Menschen, Marktanteile und Umsatz bewegen.“
■ Was ist eigentlich mit „Nachhaltigkeit“?
Internationalisierung steht bei Wefra Life auf der Agenda. Projekte und Budgets würden entweder aufgrund von Restrukturierungsmaßnahmen oder Budgetverlagerungen immer öfter auf europäischer Ebene oder global vergeben, weiß Kurz. Hier gelte es ein Modell zu finden, „das zu uns passt und den DACH-Markt stärker mit anderen europäischen Märkten zu vernetzen“. Auf die Frage, in welchem Bereich man sich als Agentur 2024 besonders entwickeln will, gab er prägnanterweise die explizite Antwort „Nachhaltigkeit“. „Unsere Kunden wie auch wir wollen immer transparenter werden im bewussten Umgang mit unseren Ressourcen und müssen uns nicht nur mit der Frage beschäftigen, welchen Beitrag wir im Bereich des Klimawandels leisten können, sondern auch in diesem Sinne aktiv werden“, erklärt Niklas Kurz. Sicher, Nachhaltigkeit wird auf unterschiedlichen Ebenen gelebt. Das betrifft nicht nur die Agentur als Unternehmen, sondern geht bei Dienstleistungen, Produkten oder der Kommunikation weiter. Ein spannendes und wegweisendes Thema, dem wir uns zu Beginn des nächsten Jahres auch redaktionell widmen werden.