■ Kreation im Mittelpunkt von Pharmawerbung 

„Das Allerwichtigste, was man verstehen muss, ist die Bedeutung der Kreation. Viele unterschätzen immer noch, welchen enormen Einfluss die kreative Gestaltung auf den Erfolg einer Kampagne hat“, sagt Seiter deutlich. Studien belegen: Bis zu 75 Prozent der Werbewirkung hängen von der kreativen Umsetzung ab. Damit eine Werbeanzeige erfolgreich ist, reicht es nicht, dass sie nur gesehen wird – sie muss auch gefallen. Ein rein auffälliges Design oder eine schrille Botschaft können Aufmerksamkeit erzeugen, aber wenn die Anzeige keine positive emotionale Reaktion auslöst, wird sie schnell vergessen oder sogar abgelehnt. Das Gefallen ist daher ein entscheidender Faktor für die Werbewirkung.

Vor allem im Pharmabereich sind zwei Faktoren bzw. Anmutungsparameter besonders entscheidend: Gefallen und Verständlichkeit. „Es ist elementar, dass die Zielgruppe eine Anzeige ansprechend findet, denn sonst wird sie schlichtweg nicht wahrgenommen“, betont die Expertin. So nachvollziehbar diese Tatsache auch klingt, wird sie in der Praxis oft vernachlässigt: Anzeigen erfüllen häufig nur ungenügend diese grundlegenden Kriterien.

Die Parameter „Gefallen“ und „Verständlichkeit“ sind laut Seiter und ihrem Team die wichtigsten Treiber in der Pharmawerbung. Die Expertin erklärt, dass dies Lasso-Regressionen* ergeben haben: Eine Anzeige, die ästhetisch gestaltet ist und deren Aussage intuitiv verständlich ist, erzielt deutlich höhere Wirkungen. „Interessanterweise sehen wir dabei geschlechterspezifische Unterschiede: Frauen reagieren besonders positiv auf farbenfrohe, lebendige Motive mit natürlichen Elementen wie Pflanzen oder Blumen – auch dies sind Ergebnisse der Lasso-Regressionen. Männer legen dagegen eher Wert auf eine klare, schnörkellose Gestaltung, die schnell erfassbar ist“, sagt Seiter.

Designcodes und ihre Wirkung in der Pharmawerbung

Die von Seiter und ihrem Team durchgeführten Analysen haben gezeigt, dass Anzeigen, die diesen gestalterischen Anforderungen entsprechen, Den Zuwachs des KIPs „relevant set“ der beworbenen Produkte für die Zielgruppe der Frauen um bis zu 214 Prozent steigern können. „Eine verständliche, optisch ansprechende Gestaltung bewirkt, dass Anzeigen nicht nur besser erinnert werden, sondern auch zu einem höheren „relevant set“ führen“, so die Marketingexpertin.

Neben diesen Erfolgsfaktoren identifiziert Seiter spezielle Designelemente, die besonders wirksam sind: „Vor allem natürliche Motive wie Blumen oder Pflanzen sind emotional positiv besetzt und wirken besonders attraktiv auf die Zielgruppe.“ Auf der anderen Seite gibt es auch Designelemente, die weniger gut wirken: Technische Umgebungen wie Büro- oder Fabrikszenarien erzeugen häufig negative Assoziationen, etwa Stress oder Unwohlsein, und sind daher für Pharmaanzeigen weniger geeignet. „Doch gerade im Pharmabereich kommen diese solche Motive dort noch immer oft vor.“

Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Gestaltung ist der richtige Einsatz von Farben. „Bunte Anzeigen schneiden wesentlich besser ab als schlichte, einfarbige Designs“, ergänzt Seiter. Diese Präferenz für Farben und natürliche Bilder sei evolutionär erklärbar: „Menschen fühlen sich instinktiv zu Farben und Natur hingezogen. Pharmawerbung darf also gerne auf natürliche, farbige Gestaltungen setzen, um gezielt positive Emotionen zu erzeugen.“

Typische Fehler in der Pharmawerbung

Neben den positiven Gestaltungselementen nennt Seiter auch typische Fehler, die Pharmaunternehmen häufig machen. Ein Beispiel sind abgebildete Webseiten und URLs in Anzeigen. „Interessanterweise wirken solche Webadressen heute sogar kontraproduktiv, da kaum noch jemand URLs manuell eingibt. Stattdessen googeln Nutzer direkt den Produktnamen, den Wirkstoff oder das Unternehmen“, erläutert sie.

Ähnliches gilt für „Erinnerungscoupons“, die früher beliebt waren. Sie könnten auf den ersten Blick wie „Rabatt-Coupons“ wirken, was von Rezipierenden als irreführend wahrgenommen werden und können sich somit als wenig nützlich erweisen.

Auch Menschenporträts sind – vor allem, wenn Personen leidend oder mit schmerzverzerrten Gesichtern dargestellt werden – mit Vorsicht zu genießen. Das kann das Zielpublikum abgeschrecken, denn Menschen wollen in Werbung keine leidenden Menschen sehen. Sie wollen Lösungen gezeigt bekommen. Und die Lösung sind Gesichter oder Menschen, die keine Schmerzen (mehr) haben, schlussfolgert Seiter.

Zielgruppenverständnis als Schlüssel zur Wirksamkeit 

Um Anzeigen noch gezielter gestalten zu können, empfiehlt Seiter, die Zielgruppe tiefergehend zu analysieren und konkrete Motive, Farbwelten und Gestaltungselemente entsprechend zu testen. Durch gezielte Pre-Tests und Datenanalysen könnten Pharmaunternehmen bereits im Vorfeld feststellen, welche Anzeigen funktionieren – und welche nicht. So ließe sich vermeiden, dass Ressourcen in unwirksame oder sogar kontraproduktive Kampagnen fließen.

Darüber hinaus sei es wichtig, sich stets die Sicht der Nutzenden vor Augen zu halten: „Gerade im sensiblen Pharma-Bereich dürfen Anzeigen nicht überladen oder kompliziert sein. Weniger ist oft mehr, klare und verständliche Kommunikation sollte stets Priorität haben“, unterstreicht die Expertin.

Mehr als eine ästhetische Entscheidung

Kreative Qualität ist demnach weit mehr als eine ästhetische Entscheidung. Sie bestimmt maßgeblich den Erfolg einer Pharma-Kampagne. Seiter fasst zusammen: „Es sind oft die vermeintlich einfachen Dinge, mit denen das Gefallen einer Pharma-Anzeige positiv beeinflusst werden kann: eine leichte Verständlichkeit und positive, emotionale Bilderwelten.“

Pharmaunternehmen, die diese Erkenntnisse in ihrer Kampagnenplanung berücksichtigen, seien langfristig klar im Vorteil.

 

* Was ist eine Lasso-Regression?
Die Lasso-Regression (Least Absolute Shrinkage and Selection Operator) ist eine Methode der Regressionsanalyse, die hilft, die wichtigsten Einflussfaktoren aus einer Vielzahl von Variablen herauszufiltern. Sie reduziert automatisch unwichtige Variablen und sorgt so für übersichtlichere Modelle. Das verhindert Überanpassung (Overfitting) und macht die Analyse aussagekräftiger – besonders nützlich in datenreichen Bereichen wie Marketing oder Medizin.