Eine Diva mit Starallüren?
>> Gefiebert hat er nicht. Ein wenig gespannt war er schon: Die etablierte Studienmethodik des Marktforschungsinstitutes IFAK, das die Daten für die LA-MED-Facharzt-Studie erhebt und auswertet, verspreche seriöse Ergebnisse, aber „wir haben eine natürliche Gespanntheit, weil ja Print in allen Mediengattungen, in allen Medienmärkten an Relevanz verloren hat. Die Publikumsmedien verzeichnen zum Teil desaströse Einbrüche. Doch das ist uns ja erspart geblieben, denn wir haben festgestellt, dass die Fachpresse doch anders bei den Nutzern ankommt, als die klassische Presse“, erklärt Rüdiger Sprunkel als LA-MED-Vorstandssprecher.
Rund 2.800 Fachärzte – Niedergelassene sowie Chef- und Oberärzte der Dermatologie, Gynäkologie, HNO, Inneren Medizin, Neurologie/Psychiatrie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Pädiatrie, Urologie – gaben im Rahmen dieser Befragung Auskunft über ihr berufliches Mediennutzungsverhalten. Und das ist in Bezug auf Medizinische Fachzeitschriften als intensiv genutzter Informationsquelle beachtlich: Mit 71,2% Intensivnutzern zeigt sich ein deutlicher Abstand zum persönlichen Austausch mit den Kollegen (58,5%), zu Tagungen/Kongressen (56,4%), Fachbüchern (49,5%) und dem Internet (40,9%). Roter Teppich für die Fachzeitschrift also.
Online steigt nicht zu Lasten von Print
„Die Fachärzte erweisen sich als treue Fachzeitschriften-Fans, die die medizinische Fachpresse als verlässlichen und fachlich kompetenten Relevanzfilter in der Fülle der Informationsangebote wertschätzen“, resümiert Dr. Monika von Berg, mm medizin + medien und Vorstand der LA-MED, und ihr Vorstandskollege Sprunkel ist „überzeugt, dass unsere Ärzte das Printmedium wirklich schätzen und nutzen. Ich glaube auf diesem Niveau wird sich Print stabilisieren und die akzeptierteren Medien setzen sich jetzt stärker beim Arzt durch. Und die schöne Erkenntnis: Online steigt nicht zu Lasten von Print. Der Arzt nutzt beide Medienkanäle.“
Er betont, dass sich ein Blick in die Detaildaten der Studie lohne. So sind niedergelassene Neurologen/Psychiater den Ergebnissen zufolge nach wie vor sehr intensive Nutzer von Fachbüchern (58,8%) und niedergelassene Urologen begeisterte Kongressbesucher (63,3%). Und ganz generell spiele das Internet für Ärzte, die in Kliniken tätig sind, eine sehr viel größere Rolle als für ihre Fachkollegen in den Praxen. Tiefenwissen, das bei der Mediaplanung hilfreich sein kann, denn „Reichweite ist nicht alles“, wie Sprunkel eindringlich mahnt. Medizinische Fachzeitschriften seien unverzichtbar, um Reichweite aufzubauen und Ärzte zu erreichen, merkt Andrea Biebl, MW Office, zu diesem Thema an. „Digitale Medien gehören mit steigender Relevanz dazu und punkten mit ihren spezifischen Online-Möglichkeiten“.
Diese zunehmende Bedeutung findet auch im diesjährigen Studiendesign der Umfrage seinen Ausdruck. Denn erstmals hat die LA-MED ein Online-Segment – nämlich Social Media – im Detail beleuchtet und wollte von den Fachärzten wissen, ob und vor allem wie sie bei den verschiedenen Plattformen im beruflichen Kontext aktiv sind: Die Nutzungsmöglichkeiten reichen von „Beiträge/Videos lesen“ über das Kommentieren oder auch Teilen von Beiträgen bis hin zum Hochladen eigener Beiträge oder Videos. Der Umfang der Nutzung der verschiedenen Communities variiert stark, eines gilt laut Arbeitsgemeinschaft aber für alle: Die Fachärzte seien sowohl bei fachspezifischen als auch bei Publikums-Communities vor allem als „passive user“ dabei und konsumierten Texte und Videos. Eher selten würden aktiv Texte oder Videos geteilt oder gepostet.
Tom Renneberg, Gründer und Geschäftsführer des Ärzteportals esanum, ist seit 2019 Mitglied im Vorstand der LA-MED und dort für den Bereich „Digital“ verantwortlich. Wie ist der Job? „Die LA-MED ist eine spannende Arbeitsgemeinschaft. Es sitzen dort direkte Wettbewerber an einem Tisch, die zum einen die gleichen, zum anderen aber völlig unterschiedliche und manchmal auch konkurrierende Interessen verfolgen. Es ist spannend, das hautnah zu erleben“, so Renneberg. Dass man in diesem Jahr einen Akzent bei der beruflichen Nutzung von Social-Media-Angeboten durch die Ärzte gesetzt hat, hält er für absolut notwendig, denn ohne dies „wäre das Bild der Mediennutzung unvollständig“.
Ihno Fokken, CCO bei esanum, weist darauf hin, dass die ärztliche Kommunikation nicht mehr nur in den Fachmedien, ob offline oder online, stattfinde, sondern sich schon längst auf die großen Social-Media-Plattformen ausgedehnt habe. „Bestes Beispiel dafür war in der Corona-Hochphase der Hashtag m4mvscovid, unter dem sich auf Twitter medizinisches Personal zu ganz konkreten Fragestellungen ausgetauscht hat und woraus eine eigene Website entstanden ist. Die Aufnahme dieser Kanäle in die Facharzt-Studie ist ein notwendiger Schritt, um eine genauere Vorstellung davon zu bekommen, wie Mediziner*innen Social-Media als Kommunikationsraum nutzen.“ Auch falle ein anderes Phänomen auf, das bei der Erhebung von Reichweiten für HCP-Plattformen in der Vergangenheit beobachtet werden konnte: „Digitale Nutzungswerte, die abgefragt werden, stimmen teilweise nicht mit den tatsächlichen Leistungswerten überein.
Das damalige Ranking weist Diskrepanzen zu den offiziellen IVW-Werten einiger Plattformen auf“, analysiert Fokken, was für Renneberg auch das vergleichsweise bescheidene Ergebnis von esanum im Rahmen der Befragung erklärt. „Ich sehe ja jeden Tag, dass wir weitaus mehr Ärzte erreichen“, gibt der Geschäftsführer seine Erfahrung wieder. Laut den aktuellen Ergebnissen der Facharzt-Studie werden mit 51,3% und 45,5% nur YouTube und DocCheck wirklich intensiv von den Ärztinnen und Ärzten beruflich genutzt. Auf Platz 3 folgt mit 41,1% WhatsApp, dessen berufliche Nutzung als Messenger-Dienst auch Rüdiger Sprunkel etwas überrascht hat.
Die Erhebung der beruflichen Nutzung von Social-Media-Angeboten ist für Marek Hetmann, Leiter Verkauf Geschäftskunden Medizin beim Deutschen Ärzteverlag „ein unabdingbarer Schritt. Wir Verlage können nur davon profitieren, so viele Detailinformationen wie nur möglich zum Nutzungsverhalten unserer Leser zu kennen, um in Zukunft die erfolgreichen Kommunikationskanäle ebenfalls zu bedienen. Wir müssen dort präsent sein, wo unsere Leser sind.“ Zudem zeige sich, dass eben auch auf Plattformen wie YouTube zunehmend Content vorhanden sei mit einem Nutzwert für die berufliche Nutzung durch Ärzte. Wie tiefgründig diese Wissensvermittlung sei und ob hier wirklich eine Substitution in der Reichweite zu etablierten medizinischen Fachseiten erfolge, könne man daraus nicht ableiten. „Aber ja, auch Ärzte nutzen vermehrt WhatsApp oder YouTube – und wir als Verlage müssen Mittel und Wege finden, auch hier unsere Zielgruppen zu erreichen“, so Hetmann weiter.
„War dieser Schritt nicht mindestens 5 Jahre überfällig?“, fragt Frank Antwerpes, Vorstandsvorsitzender der DocCheck AG bezüglich des „Deep Dive“ Social Media, und auch Michael Himmelstoß, Geschäftsführer der GFI, meint: „Da unsere Gesellschaft heute mit Social-Media-Angeboten geflutet wird, war es absolut notwendig zu hinterfragen, welche Bedeutung diese Medien heute schon für die berufliche Nutzung der Ärzte spielen. Das Ergebnis ist eindeutig: Mit Ausnahme von YouTube und DocCheck spielen diese Medien heute alles in allem keine große Rolle in der Arztkommunikation.“ Also zurücklehnen und abwarten? „Auch wenn sich der Wandel in unserem Publikationsbereich bisweilen nicht durch disruptive Entwicklungstendenzen äußert, ist der Trend im Medienmix fortschreitend spürbar“, sagt Pascal Bourguignon, Mitglied der Geschäftsleitung bei der WPV und analysiert, dass einige Social-Media-Kanäle, die das private Mediennutzungsverhalten dominierten, die Zielgruppe hinsichtlich der beruflichen Relevanz offensichtlich nicht überzeugen könnten.
Hier zeigten sich jedoch auch Differenzen zwischen den Social-Media-Angeboten. „Kurznachrichtendienste und Plattformen, die sich auf den (emotionalen) Impulsaustausch spezialisiert haben, schneiden tendenziell schlechter ab als Ärzte-Communities, die neben partizipativen Community-Strukturen auch einen fachlichen Fundus (relevanten Content) sowie weitere wichtige Aspekte für den Aufbau einer erfolgreichen Kommunikationsstrategie bieten. Anhand der erstmalig erhobenen Daten wird in diesem Segment jedoch abermals die Relevanz der kombinatorischen Zielgruppenansprache (crossmediale Konzepte) deutlich“, lautet sein Fazit.
Für Fabian Kaufmann, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Springer Medizin Verlag, ist es wichtig, die Entwicklung trotz der bescheidenen Ergebnisse im Auge zu behalten: „In Social-Media-Angebote fließt mehr und mehr Geld – nicht nur seitens der Pharmaindustrie. Deshalb ist es ein notwendiger und verständlicher Schritt, dass die Mitglieder der LA-MED (Pharmaunternehmen, Agenturen und Verlage) genauer hinschauen wollen. Überraschend war für uns, dass die Generalisten wie WhatsApp oder YouTube wesentlich stärker von Ärzten zur beruflichen Orientierung genutzt werden als etwa ÄND, coliquio oder esanum, bei Letzterem beispielsweise haben mehr als 95% der Ärzte der interviewten Fachgruppen angegeben „nutze ich gar nicht“. Ich denke, wir werden hier die Entwicklung abwarten und die Abfrage der Social-Media-Angebote weiterführen und beobachten müssen. Sprunkel bestätigt als LA-MED-Vorstandssprecher, dass sich diese Kategorie in der Facharztbefragung etablieren soll.
Fortbildungen: Fachzeitschriften als mächtiges Instrument
Auch bei den Fortbildungen hat die Arbeitsgemeinschaft in diesem Jahr genauer hingeschaut. Da auch der Fortbildungsmarkt für Ärzte nicht nur größer, sondern auch vielfältiger geworden ist, wurden die Fachärzte hierzu in der aktuellen Studie nach ihren Nutzungsgewohnheiten gefragt. In dem breiten Angebotsspektrum liegen die Fachzeitschriften (92,6%) und Präsenzfortbildungen (88,6%) vorne. Die Online-Angebote von Fachmedien führen die Range der Fortbildungen via Internet mit deutlichem Abstand (45,7%) vor Webinar/Webcast/Videocast – live (22%) und Onlinefortbildungen von anderen Anbietern (21,3%) an.
„Die Fachmedienhäuser haben es offenbar verstanden, mit Qualität und Kompetenz einen Vertrauensvorsprung beim Facharzt aufzubauen, der nicht nur für fachliche Information, sondern auch für fachliche Fortbildung gilt“, resümiert Rüdiger Sprunkel. Die starke Position der Fachzeitschrift bei den Fortbildungen unterstreicht auch Kaufmann: „Die Fachzeitschriften sind allein über ihre Anzahl im Markt ein mächtiges Instrument zur Fort- und Weiterbildung. Da kann kein Onlineportal, kein Organisator von Veranstaltungen mithalten. Aber das ist ein Markt, der sicher Zukunft hat – möglichst neutrale, wissenschaftlich hochwertige Fort- und Weiterbildungsangebote anzubieten.“ Springer Medizin habe mit seinem eigenen Portal (www.springermedizin.de) eine der im deutschen Markt größten Plattformen für Online-CME-Fortbildungen, ein Großteil derer aus den hauseigenen Facharztzeitschriften. 2019 erreichte man die Rekordzahl von 385.000 Teilnahmen an CME-Modulen. „Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie werden Fortbildungen aus Fachzeitschriften und Onlinefortbildung im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen weiter an Bedeutung gewinnen. Die bisherigen Zahlen aus 2020 bestätigen diese Annahme.“
Für Benjamin Wessinger, Geschäftsführer der DAV Mediengruppe, bieten Fachzeitschriften hochwertige Fortbildungen auf eine sehr „bequeme“ Art und Weise an: „Man kann die Fortbildung dann machen, wenn es am besten passt. Und offenbar haben die Leser ein starkes Vertrauen zu ,ihren‘ Zeitschriften aufgebaut. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die Online-Fortbildungen der Fachzeitschriften deutlich stärker genutzt werden als die anderer Anbieter“, so Wessinger. Die Poleposition der Fachzeitschrift in Sachen Fortbildung verwundert auch Hetmann nicht: „Wir sehen im ‚Deutschen Ärzteblatt‘ schon seit Jahren eine kontinuierliche Zunahme der CME-Tests. Und mit 330.000 absolvierten CME-Tests im Jahr 2019 gehören wir sicherlich nicht zu den kleinen CME-Anbietern …“. Gerade beim Thema CME hätten Neutralität und Qualität einen besonders hohen Stellenwert: Hier würden etablierte Fachzeitschriften in der Wahrnehmung der Zielgruppe traditionell sehr gut abschneiden. Ein Erfolgsmodell seien dabei zunehmend auch crossmediale Angebote: So sei es für die Ärzte offenbar doch äußerst praktisch, einen CME-Beitrag klassisch über das Lesen eines Printtitels zu erfassen, um dann digital den Test zu absolvieren. „Unsere Lehre aus den aktuellen Studienergebnissen: Es muss nicht immer ein digitales high end, ein interaktives 3D-CME-Modul sein. Print aktiviert, und Print funktioniert“, berichtet Hetmann.
Überrascht hat dieses Ergebnis auch Michael Platzköster, Geschäftsführer des Hansischen Verlagskontor, nicht, da Leserbefragungen in den Vorjahren Ähnliches ergeben hätten. Auch einen gewissen Corona-Effekt identifiziert Platzköster hier: „In Zeiten wie Corona, wo das persönliche Arztgespräch höchstens am Telefon stattgefunden hat und Kongresse abgesagt wurden, sind Fachzeitschriften noch unterstützender als sonst das ideale Medium, um sich fortzubilden: zu jeder Zeit und ohne Anmeldung, ohne Zeitdruck, überall, der Nutzer kann sich im Heft oder in der App Notizen machen.“
Sprunkel allerdings bezweifelt den gro-ßen Einfluss von Corona auf die vorliegenden Ergebnisse, da der Befragungszeitraum von insgesamt neun Monaten „maximal 3 Monate“ während der Corona-Krise beinhalte. Tom Renneberg hält dem jedoch entgegen: „Unterschätzen Sie aber nicht den Corona-Effekt. Wir verzeichnen einen Anstieg von über 200% bei unseren Online-CMEs seit März.“ Als Printanbieter freut sich Sprunkel jedoch zweifelsohne, dass die Fachzeitschriften bei den Fortbildungen ganz oben stehen. Und seine prägnanteste Erkenntnis in dieser Hinsicht ist, „dass Fortbildungen, wenn sie gesponsert sind, eine sehr, sehr hohe Akzeptanz beim Arzt haben. Das ist die große Erkenntnis“, resümiert er für das Feld der Fortbildungen und macht Lust auf die kommende API-Studie, die die Veränderungen beim Fortbildungsverhalten der Ärzte durch die Corona-Krise abbilden soll. „Da freue ich mich schon drauf“, erklärt Sprunkel.
Ärzte stillen ihren individuellen Informationsbedarf
Mit dem Touchpoint Relevanz-Check hat die LA-MED außerdem ein Instrument an der Hand, mit dem sie die Bedeutung der unterschiedlichen Informationsquellen für den Arzt beleuchtet. Geht es beispielsweise um neue Therapieoptionen, zählen Tagungen/Kongresse, Fachzeitschriften und Kollegengespräche zu den Top 3 der relevanten Touchpoints. Dahinter fächert sich, mit einigem Relevanz-Abstand, das weitere Informations-spektrum auf.
Der Check zeigt gegenüber 2018 in allen Kontaktpunkten eine steigende Tendenz. Befragt nach der Bedeutung dieses Facts in Bezug auf die Kommunikationsmaßnahmen, erklärt Marek Hetmann: „Das bestätigt anhand von sauber erhobenen Daten, wie sich Ärzte durch das enorme Informationsangebot hindurchbewegen, um ihren individuellen Informationsbedarf zu stillen. Wir Verlage müssen unsere Angebote intelligent auch in die anderen Touchpoints integrieren. Es macht dabei keinen Sinn, Wikipedia zu kopieren; und um Google zu kaufen, ist es etwas zu spät … Aber wir Verlage sollten Themenfelder mit unseren Inhalten so besetzen, dass sie für den suchenden Arzt schnell auffindbar und relevant sind.“ Für zukünftige Auswertungen sei es sicherlich spannend zu erheben, welches Standing digitale oder hybride Kongresse erzielten. Auch der digitale Austausch mit Kollegen oder dem Pharmaaußendienst könnte sich als neuer Touchpoint etablieren, meint Hetmann.
Im Hause Springer sieht man die hauseigenen Kommunikationsmaßnahmen durch die Ergebnisse bestätigt und will den eingeschlagenen Weg, digitale Formate ergänzend zur klassischen Kommunikation in Print oder auch verknüpft (CME) anzubieten, fortsetzen. „Wichtig ist“, so Kaufmann, „die Abfrage nach den einzelnen Touchpoints auch noch einmal zu hinterfragen bzw. zu erklären. Google schneidet als Startpunkt für Recherchen sehr gut ab, was zu erwarten war. Allerdings bietet Google selbst ja keine Inhalte an, diese kommen letztlich von Wikipedia, den sogenannten Online-Archiven und eben auch von den digitalen Verlagsangeboten. Das sehen wir selbstverständlich auch auf unseren Portalen www.springermedizin.de und www.aerztezeitung.de, auf denen uns ein nicht unwesentlicher Traffic über Google zugeführt wird.“
Himmelstoß findet es in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass knapp 75% der befragten Fachärzte die Nutzung von Arztcommunities für neue medikamentöse Therapien als eher nicht relevant/nützlich bzw. überhaupt nicht relevant/nützlich eingeordnet haben; nur 2,7% bevorzugen Arztcommunities. Bei Standardtherapien sind es nur 2,4% gegenüber 64,4%, die gedruckte Fachzeitschriften präferieren. „Hier können Agenturen und Werbetreibende folglich viel Mediabudget zielgerichteter einsetzen“, stellt er fest. Bei esanum sieht man das indes etwas differenzierter: „Die Bandbreite der relevanten Touchpoints in der Kombination mit der steigenden Tendenz, ist in dem Zusammenhang ein klares Zeichen für die Heterogenität der Zielgruppe, die sich wieder in Subgruppen mit den jeweiligen präferierten Touchpoints aufteilt“, meint Fokken und Renneberg springt ihm zur Seite: „Ich glaube, Ihno will sagen, dass verschiedene Facharztgruppen und Untergruppen völlig unterschiedliche Vorlieben und Bedürfnisse haben, auf die man online super eingehen kann.“ „Genau, wir versuchen, die Touchpoints, die wir bespielen, ganz klar auf eine hohe Relevanz auszurichten“, bestätigt Fokken und führt als jüngstes Beispiel die „COVID-19 Expertenrunde“ an, mit der das Ärzteportal bereits über 20.000 ÄrztInnen erreicht habe – „die also genau zur richtigen Zeit einen Bedarf erfüllt hat“.
Das Zielgruppen-Potenzial, das im Spektrum der etablierten Fachmedien steckt, sieht auch Pascal Bourguignon durch den Relevanzcheck bestätigt. Auch lasse sich hier die Akzeptanz der Zielgruppe für die vorliegende Medienvielfalt erkennen. Das Ergebnis fördere die Verlagsbestrebungen, den Medien dem individuellen Nutzungskontext sowie den relevanten Gateway-Potenzialen entsprechend weiterzuentwickeln. „Insgesamt bestätigen die Ergebnisse aus dem Relevanzcheck unseren gegenwärtigen Entwicklungskurs bei der Gestaltung und Vernetzung unserer Medien“, beschreibt Bourguignon den Kurs der WPV.
Wozu animieren Fachzeitschriften?
„Wenn ich Ihre Aufmerksamkeit nochmal auf die Aktivierungsleistung lenken darf?“, fragt Sprunkel. „Dieses Konzept habe ich vor 8 Jahren mit einer Kollegin als Idee in die Studie implementiert. Unsere Idee war: Wir als Fachzeitschrift müssen mit unseren Informationen doch unsere Leser zu irgendetwas animieren. Wir haben uns gefragt, ob der Arzt nach der Rezeption den Außendienst anruft, einen Kongress besucht oder vielleicht sein Verordnungsverhalten ändert. Daraus haben wir die sogenannte Aktivierungsleistung entwickelt.“ Wo der Relevanz-Check die Bedeutung der Informationsquellen registriere, beleuchte der Aktivierungs-Check die crossmedialen Wege, erklärt die LA-MED dieses Tool. Dabei geben die Fachärzte Auskunft, wozu die Lektüre von Fachzeitschriften sie angeregt hat. „Erneut beobachten wir, dass die Fachzeitschrift ihre Rolle als aktivierendes Herzstück im Informationsverhalten des Arztes weiter ausgebaut hat“, ordnet Dr. Monika von Berg (mm medizin + medien) die Ergebnisdaten ein. „Der hohe Aktivierungsgrad von 91,1%, nach der Fachjournal-Lektüre neue Therapien in Erwägung zu ziehen, ist bemerkenswert.“ Darüber hinaus veranlasse die Print-Lektüre den Facharzt crossmedial zur Internet-Recherche (64,2%) und dort z.B. auch zum Download medizinischer Fach-Apps (32,2%). Die Fachzeitschrift für Fachärzte sei also auch 2020 ein überaus relevanter, reichweitenstarker Impulsgeber im Media-Mix.
Auf die Frage nach einer möglicherweise feingranulareren Aussteuerung der Studie erklärt Fabian Kaufmann: „Aus Sicht von Springer Medizin sind die Newsletter-Aussendungen nach wie vor ein vernachlässigter Kommunikationskanal. Dabei sind Newsletter aufgrund ihrer regelmäßigen Erscheinungsweisen, ihrer inhaltlichen Ausrichtung am ehesten vergleichbar mit traditionellen Fachzeitschriften. In Zeiten von Corona boomen diese digitalen Angebote. Hier wäre es wünschenswert, auch einzelne Angebote von Portalen oder Verlagen genauer zu betrachten.“
Das gelte im Übrigen auch für Webseitenangebote von Verlagen und Portalen. Natürlich seien sie für Agenturen aufgrund ihrer ex post Betrachtung in der LA-MED nicht firstline planungsrelevant, aber sie böten der Pharmaindustrie wichtige Anhaltspunkte für zukünftige Mediaspendings. Und für Hetmann wird interessant sein zu beobachten, „ob die durch die Corona-Pandemie stark beschleunigte Digitalisierungswelle neue Touchpoints erschafft bzw. wie sich die digitale Transformation in Angebot und Nachfrage auf bestehende Touchpoints auswirkt.“
Bei esanum würde man gerne in Anlehnung an vorherige LA-MED-Studien einen Blick auf Subgruppen werfen, die sich nicht nur einer Facharztgruppe unterordnen lassen, wie Fokken angibt und meint damit Fragestellungen wie „Gibt es in der Mediennutzung und im Informationsverhalten Kausalitäten in Bezug auf Alter, soziokulturelle Faktoren oder Stadt vs. Land?“
Auch Renneberg findet das sehr spannend und ergänzt: „Für die Zukunft würde ich auch gern den vermeintlichen Bias herausbekommen, der meiner Meinung nach dadurch hineinkommt, dass zur Studie ausschließlich per Brief eingeladen wird. Ich kenne genug online-only Ärzte, die Briefe von einem Absender, den sie nicht kennen, gar nicht erst aufmachen. Wie diese Ärzte sonst Medien konsumieren, geht komplett an uns vorbei.“ <<