Herr Jones, wie ist die Idee zum YouTube-Kanal „Health Celerates” entstanden?
Wir haben uns in den letzten Jahren sehr intensiv mit Ärzten und Patienten zu dem Beratungsthema auseinandergesetzt – häufig auch als Dienstleister in der Produktion. Daraus folgte dann der Gedanke, dass wir selber zum Publisher werden und Experten eine Bühne bieten. Viele approbierte medizinische Influencer wollen ja eigentlich gerne auch noch ärztlich tätig sein, das ist zeitlich aber kaum machbar, wenn man einen Kanal richtig bespielen will. So ist der Gedanke entstanden, zusammen mit Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen Content zu kreieren. Es gibt einen Riesenbedarf und vor diesem Hintergrund ist unsere Vision, eine virtuelle Gesundheitswelt aufzubauen. Wir haben aktuell rund 20 Indikationen auf dem Kanal und dieselbe Anzahl ausgewiesener Expertinnen und Experten.

Wie ist das inhaltliche Konzept? Geht es vor allem um die Therapie von Erkrankungen? 
Wir verfolgen thematisch einen 360-Grad-Ansatz, das heißt wir gehen von einem ganzheitlichen Gesundheitsbegriff aus. Themen wie Ernährung oder Sport spielen daher auch eine wichtige Rolle. Der Fokus ist heute ein komplett anderer als noch vor einigen Jahren – das gesamte System ist viel präventiver geworden. Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Ärzteknappheit ist guter Content, der Betroffene, aber auch ihr Umfeld abholt, extrem relevant. Was die eigentliche Erkrankung angeht, erklären wir in der Regel die Symptome und dann, welche Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Wir gehen dabei aber nicht zu sehr in die Tiefe, denn wir haben zunächst alles in einer guten, horizontalen Breite abgedeckt. Später werden wir die Themen vertikal vertiefen.

Wollen Sie den Patienten befähigen, sich gesundheitsbewusst oder therapiekonform zu verhalten? Oder geht es mehr darum, ihm eine gute Wissensbasis für das Gespräch mit dem behandelnden Arzt zur Verfügung zu stellen?
Ärzte werden in Zukunft noch weniger Zeit als heute schon haben. Wenn ich dem Patienten nach seinem Arztbesuch etwas an die Hand gebe, hat das einen großen Effekt. Er kann sich in Ruhe nochmal anschauen, worum es bei seiner Erkrankung genau geht und sich dann entsprechend verhalten. Und bei seinem nächsten Arztbesuch ist er besser informiert und kann die für ihn wichtigen Fragen stellen.

Wenn man das Ganze auch noch in die Richtung digitaler Patientenpfade denkt, ist das natürlich ebenfalls relevant. Ganz häufig ist es so, dass ich als Patient mit einer Diagnose vom Arzt komme und mich nochmal kurz aufschlauen will – oder muss. Wir haben bisher rund 120 Filme im Langformat auf dem Kanal, doch das ist natürlich erstmal nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die großen Indikationen haben wir aber bereits gut abgedeckt. 
Oftmals fallen einem erst, wenn man die Praxis verlassen hat, noch Fragen oder Dinge, die man hätte sagen sollen, ein. Deshalb ist ein Content Piece, das wir planen, das Thema „Was ist das Anamnese-Gespräch?”. Das ist etwas, das ein Patient vor dem Arztbesuch definitiv wissen sollte. Ganz wichtig ist zum Beispiel, wie ich mich überhaupt richtig artikuliere, um mein gesundheitliches Problem verständlich zu beschreiben. Aber das ist nur der erste Schritt. Auf der Patient Journey kommen immer mehr Stationen hinzu, und ich finde es sehr spannend, diese Reise auf einer solchen Plattform abzubilden. 

Wie gehen Sie bei der Themenauswahl vor? Haben die Volkskrankheiten Priorität oder eher besonders erklärungsbedürftige Themen? 
Beides. Aber wir sind auch in einem sehr engen Kontakt mit YouTube, denn die Verantwortlichen dort wissen natürlich, was viel gesucht wird. Und wir tauschen uns mit unseren Experten aus. Es ist also eine Kombination aus Metrik und dem, was wir in Workshops und von den Experten lernen. 

Wie würden Sie die Videos von der Machart her beschreiben?
Als wir gestartet sind, dachten wir zuerst, wir sollten eine Arztpraxis in Szene setzen – viel weiß und ziemlich stylisch. Wir haben uns dann aber dagegen entschieden. Wir wollten eine wärmere Umgebung schaffen. Man kann sich das ein bisschen wie ein Kamingespräch in einer Bibliothek vorstellen. Wir denken, dass das auf diesem Kanal der bessere Weg ist, um Nähe und Vertrauen aufzubauen. Da es um Augenhöhe geht, steht die Ärztin oder der Arzt nicht, sondern sitzt. Dann haben wir im Schnitt zwei bis drei Animationen in jedem Film und einige Textboxen und Fahnen, die die Inhalte zusammenfassen. Wir sind zunächst von einer Dauer von sechs bis acht Minuten pro Video ausgegangen, aber das ist letztlich ein Thema für die Experten. Da wir den Content gemeinsam entwickeln, haben sie das letzte Wort, welche Inhalte in einem Film enthalten sein müssen und danach richtet sich die Dauer. 

Es ist ziemlich aufwändig, Videos in dieser großen Zahl zu produzieren. Wie finanzieren sie das? Haben Sie Sponsoren?
Für uns ist das zunächst ein Investment. Unser Ziel ist, von diesem Kanal ausgehend Verticals zu bauen, und das wird dann für Sponsorships und Kooperationspartner sehr spannend. Wir haben innerhalb der letzten zwei Jahre neben unserem Tagesgeschäft zwei große Content-Plattformen aufgebaut – die BGM-Plattform mit knapp 400 Filmen und rund 100 Stunden Spielzeit in zwei Sprachen und jetzt den YouTube-Kanal. Diese Dinge gemeinsam mit Partnern aus der Industrie oder Krankenkassen vertikal zu vertiefen – zum Beispiel im Sinn von Präventionsangeboten oder Therapiebegleitprogrammen – kann ich mir sehr gut vorstellen.

Ein Beispiel für ein solches Vertical: Wir haben kürzlich den Podcast „Eat. Science. Health!” mit dem Ernährungsmediziner Professor Christian Sina gelauncht, der dort andere Experten zu bestimmten Themen interviewt. 

Warum spielen Sie die „Health Celerate“-Videos gerade über YouTube aus? Welche Vorteile bietet diese Plattform aus Ihrer Sicht?
Zum einen ist YouTube nach Google die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Unser Content wird hier also gut gefunden und kann eine große Reichweite erzielen. Wir befeuern aber zunehmend auch Instagram und TikTok mit kurzen Videos, um die User damit auf die Langformate zu ziehen.

Zum anderen hat YouTube mit der Einführung eines eigenen Gesundheitssiegels einen sehr guten Schritt gemacht. Denn es werden zu Gesundheitsthemen nun mal auch viele Falschinformationen verbreitet. YouTube hat sich mit der WHO zusammengesetzt und geschaut, was relevant für ein solches Siegel ist. Um das Siegel zu bekommen, müssen alle Informationen evidenzbasiert sein und die Erstellung des Contents muss unter ärztlicher Leitung erfolgen. Deswegen ist YouTube für uns ein passender und starker Partner, mit dem Health Celerates gemeinsam die Gesundheitskompetenz stärken kann. 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Jones.