Was die eingesetzten CRM-Systeme angeht, ist diese Strategieanpassung allerdings noch nicht operativ angekommen. Die meisten DiGA-Anbieter arbeiten deshalb im Arzt-Außendienst weiterhin mit den Systemen (z.B. Hubspot oder Pipedrive), die ursprünglich eher für Performance-Marketing-Anwendungen implementiert wurden. Die Anforderungen an ein CRM zur Unterstützung der Beziehung „Arzt-Außendienst“, sind jedoch äußerst spezifisch, es sollte deshalb sorgfältig zwischen einem „One size fits all“-Ansatz und einem „Fit for purpose“-System abgewogen werden.

Das Ziel eines erfolgreichen Arzt-Außendienstes ist es, eine „lebenslange“, vertrauensvolle Beziehung zum Arzt aufzubauen. Nur so gelingt es nachhaltig, die DiGA-Verordnung als valide Option für das passende Patientenklientel im Therapierepertoire des Arztes zu etablieren. Psychologisch gesehen spielt dabei die verwendete Terminologie der CRM-Systeme eine nicht zu unterschätzende Rolle. Begriffe wie „Leads“, „Sales Funnel“ oder „Conversion Rate“ suggerieren eine eher kurzfristige, transaktionale „Kundenbeziehung“, im Gegensatz zum eigentlichen Ziel, nämlich dem langfristigen Aufbau von Beziehungen.

■ Customer Journeys realistisch abbilden

Das Ziel im Rx-Vertrieb ist nicht, einen „Deal“ durch den „Sales Funnel“ zu bringen und zu „closen“. Sondern zu verstehen, welche Aktivitäten mit Healthcare Professionals mit welcher Erfolgsrate dazu geführt haben, dass diese DiGAs regelmäßig einsetzen. Dafür ist es entscheidend, die individuellen Customer Journeys so realistisch wie möglich abzubilden, um ableiten zu können, wie unterschiedliche Arztpersonas am besten betreut werden sollten. Ein dafür ausgerichtetes CRM unterstützt nicht nur die Segmentierung und das Targeting (und Re-Targeting) nach individuellen Merkmalen, sondern ermöglicht auch die Analyse, wie viele und welche Kontaktpunkte notwendig waren, um den Arzt von der DiGA-Verordnung zu überzeugen.

Pharmaspezifische Systeme visualisieren auf individueller Arzt-ebene, welche Kontakte stattgefunden haben, unabhängig davon, über welchen Mitarbeiter oder Kanal. Eine wirkliche 360°-Perspektive ist eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreichen Beziehungsaufbau. Dabei sind die Systeme so konzipiert, dass sie sowohl HCPs mit ihren Fachgebieten und Spezialisierungen als auch HCOs in einer Weise darstellen, wo jeder Arzt tätig ist, wie die entsprechende Abteilung in der Klinikstruktur eingeglie-dert ist und welche weiteren Beziehungen der Arzt zu Kollegen außerhalb seiner Organisation unterhält. Der Arzt-Außendienst operiert in einem streng regulierten Umfeld, in dem die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften in Bezug auf Produktkommunikation und Datenschutz von höchster Bedeutung ist. Daher muss ein CRM in der Lage sein, Datenschutzbestimmungen und die Kommunikationspräferenzen der Ärzte effektiv zu verwalten. Außerdem sollte es dem Außendienst durch die Bereitstellung modularer und überprüfter E-Mail-Vorlagen ermöglichen, eine persönliche Kommunikation basierend auf den Präferenzen der Ärzte zu erleichtern.

Die Aussendung zentraler Massen-E-Mails ist eine kosteneffiziente Maßnahme, es zeigt sich, dass gerade in der Arztinteraktion eine individuelle, durch den persönlich bekannten Außendienst initiierte Ansprache zu höheren Öffnungs- und Klickraten führt. Spezialisierte CRM-Systeme sind darauf ausgerichtet und unterstützen den regulierten, persönlichen E-Mail-Kontakt durch Außendienstmitarbeiter mit automatisch generierten, personalisierten E-Mails. Diese E-Mails können mithilfe eines Baukastenprinzips compliance-konform zusammengestellt werden.

■ Essenziell für eine effiziente und gesetzeskonforme Außendienstarbeit

Natürlich sollten auch weitere Kanäle unterstützt werden. Für telefonische Kontakte bieten CRM-Systeme Integrationsmöglichkeiten mit Telefoniesystemen, um sowohl Anrufversuche als auch Gesprächsergebnisse dokumentieren und auswerten zu können. Für eine Demo der App ist außerdem ein videounterstützter Remote Call sehr hilfreich. Pharma-CRM-Systeme ermöglichen sichere und verschlüsselte Videokommunikation mit den Ärzten. Hierbei wird Wert darauf gelegt, dass der Zugang für Ärzte ohne Download von zusätzlicher Software einfach und unkompliziert möglich ist. Im Videogespräch ist z.B. das Einholen des Opt-Ins, das Präsentieren von Produktunterlagen oder eine Demo der DiGA problemlos möglich, wobei der Außendienst gleichzeitig die wichtigsten Informationen zum Arzt auf seinem Bildschirm sehen kann. 

Die oben genannten Anforderungen werden in den wenigsten aktuell im Einsatz befindlichen CRM-Lösungen adäquat abgedeckt, obwohl sie essenziell für eine effiziente und gesetzeskonforme Außendienstarbeit sind. Der „One size fits all“-Ansatz stößt dort an seine Grenzen, wo das CRM sowohl DTC/Performance Marketing als auch gleichzeitig den Arzt-Außendienst im B2B-Ansatz bedürfnisgerecht unterstützen soll.

Der professionelle Aufbau eines Omnichannel-Marketings unter Einbindung eines Außendienstes, der selbst schon über die unterschiedlichsten Kanäle (F2F, Telefon, E-Mail, Remote Call) mit dem Arzt kommuniziert, erfordert ein „Fit for purpose“-CRM-System, das alle relevanten Planungs-, Durchführungs- und Auswertungserfordernisse abbildet. Das kann bedeuten, dass für B2B- und B2C-Maßnahmen zwei unterschiedliche CRM-Systeme zum Einsatz kommen, aber die operativen Einschränkungen und legalen Risiken aus dem „One size fits all“-Ansatz wiegen aus unserer Sicht deutlich schwerer als mögliche Effizienzverluste aus dem Betrieb zweier CRM-Systeme.

 

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Marcus Bergler ist Experte für DiGA Go to Market. Aufbauend auf seiner Erfahrung als Global Sales und European General Manager bei Cegedim and Veeva Systems sowie als Consulting Principal und Sales Team Leader bei IMS Health (jetzt IQVIA) unterstützt er in Advisory Boards Digital Health/DiGA-Unternehmen dabei, nachhaltig erfolgreiche Geschäftsmodelle zu entwickeln und implementieren. 

 

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Julia Bottenhorn ist seit 2022 als Solution & Strategy Consultant bei der ysura GmbH in München tätig. Mit über sechs Jahren Erfahrung in der Pharmabranche hat sie umfassende Expertise im Bereich Pharma-CRM. Ihre Tätigkeit umfasst eine Vielzahl von Beratungsprojekten und Kooperationen sowohl mit Pharma- als auch mit DiGA-Unternehmen.