Herr Dr. Meergans, welche Rolle spielt KI derzeit in der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung, und welche konkreten Beispiele gibt es für ihren erfolgreichen Einsatz?
Dr. Matthias Meergans: Das haben wir uns im vfa auch gefragt und es deshalb für den diesjährigen Biotech-Report mit unserem Partner Boston Consulting Group umfassend untersucht. Resultat: Für fast jede Etappe der Entwicklung von Medikamenten gibt es mittlerweile spezielle KIs, die von etlichen Firmen als Unterstützung genutzt werden. Am häufigsten geschieht das für Medikamente mit Small-Molecule-Wirkstoffen, aber auch für Biopharmazeutika wie Impfstoffe oder Antikörper-Präparate. Die klinische Entwicklung in Studien erspart KI allerdings nicht. Und auch nicht, dass für diese bewusst sehr restriktiv eingesetzte Arzneimittelgruppe faire Erstattungsbedingungen geschaffen werden müssen.
Inwiefern kann KI die Erfolgsquoten in klinischen Studien verbessern und die Entwicklungszeit neuer Medikamente verkürzen?
Die Unternehmen berichten übereinstimmend von mehr Geschwindigkeit in jeder von KI unterstützten Entwicklungsphase. Wir erwarten, dass KI auch für höhere Erfolgsquoten bei den Studien sorgen wird; aber das wird sich erst bestätigen lassen, wenn es mehr und auch über einen längeren Zeitraum KI-unterstützte Entwicklungsprogramme gibt. Ich bin gespannt, wie sich das in ein paar Jahren darstellt!
Was sind die wichtigsten politischen Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zu sichern?
Ich denke hier an vier Felder. Die Politik sollte eine Balance zwischen Datenschutz und Datenverfügbarkeit schaffen und die Richtlinien für die Verwendung von KI noch klarer ziehen. Sie sollte die Forschung zu KI stärker fördern und ebenso die Aus- und Weiterbildung in KI-Berufen. In der Pharmabranche werden beispielsweise dringend mehr Fachkräfte gebraucht, die sowohl etwas von KI als auch von Medizin oder Pharmazie verstehen. Beim Ausbau der Dateninfrastruktur beziehungsweise bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens geht es um Tempo und Klarheit, wenn wir international den Anschluss nicht verpassen wollen.
Es gibt viele Vorteile durch KI, aber wie können Pharmaunternehmen ihre Marketingstrategien anpassen, um diese Vorteile besser zu kommunizieren?
Wie wertvoll Biopharmazeutika sind, wurde der Bevölkerung schon Anfang der 2000er Jahre anhand konkreter Medikamente bewusst, die in ihren Feldern den chemisch-synthetischen überlegen waren – beispielsweise in der Rheuma- oder Krebstherapie. Genauso wird es mit der KI sein, wenn sich erst einige wegweisende Medikamente ausdrücklich auf KI-Einsatz zurückführen lassen. Schon heute findet KI in der Medizin eine wachsende Unterstützung, vor allem bei Betroffenen wie auch in der Ärzteschaft. Mit der weiteren Personalisierung wird auch die Kommunikation zu KI-Erfolgen immer mehr Raum einnehmen und insgesamt zielgenauer werden.
Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie beim Pharmamarketings in Bezug auf die zunehmende Bedeutung von KI?
KI bietet Möglichkeiten zur Unterstützung von Marketing und Vertrieb. Ich denke hier vor allem an die Einrichtung von Chatbots, die Fragen von Anwendern oder Abnehmern zu einzelnen Medikamenten beantworten. Diese Antworten müssen aber natürlich hochgradig qualitätsgesichert werden. Und einige Anwenderinnen und Anwender legen sicher Wert darauf, Rat ausschließlich von echten Menschen zu erhalten. Denen muss man weitere Alternativen anbieten können. Mit immer empfindlicheren Diagnostik-Methoden und damit besseren Erkennung von Krankheiten, aber auch der generellen Aufmerksamkeit für Risikofaktoren, werden Prävention und Behandlung bereits in früheren Stadien möglich. Das kann für Patienten und Patientinnen messbare Erfolge bringen.
Wie kann die Industrie durch Marketing und Aufklärung die Akzeptanz und das Vertrauen der Öffentlichkeit in KI erhöhen?
KI in der Pharmaforschung wird jetzt schon in wichtigen Zielgruppen positiv wahrgenommen – weshalb Pharmafirmen sich derzeit geradezu überschlagen mit Pressemitteilungen über neue KI-Projekte. Das Vertrauen in der Öffentlichkeit wiederum steht und fällt mit der Qualität der mit KI-Hilfe entwickelten Medikamente beziehungsweise der der KI-unterstützen Therapieentscheidungen.